„Wir holen den Pott, weil wir die bessere Mannschaft sind!“

Norderstedt versetzt Wedel in eine „Körperstarre“

05. Mai 2016, 23:03 Uhr

Großer Jubel auf der einen, pure Verzweiflung auf der anderen Seite! Während Jeremy Karikari (3. v. l.) seinen Kopfballtreffer zum 2:0 mit Marin Mandic bejubelt, verstehen Sebastian Krabbes (l.) und Manuel Henkel die Welt nicht mehr. Foto: KBS-Picture.de

Hat Regionalligist Eintracht Norderstedt das zweite Pokal-Halbfinale beim (noch) zwei Klassen tiefer spielenden Wedeler TSV bereits vor dem Anpfiff für sich entschieden? Fakt ist, dass Eintracht-Coach Thomas Seeliger bereits vor den 90 Minuten auf 180 war. Der Grund dafür: Die Wedeler öffneten nur eine Kasse, was einen Menschenandrang nach sich zog, weshalb die Partie mit zwölfminütiger Verspätung angepfiffen werden musste. „Vielleicht waren sie dadurch aggressiver, griffiger und hatten von der ersten Minute an den Willen“, mutmaßte WTSV-Coach Heiko Barthel, der zu den Anfangsminuten seiner Schützlinge deutliche Worte fand: „Wir sind ganz, ganz schwer und träge ins Spiel kommen, haben fast schon mit einer Körperstarre gespielt. Die Jungs wollten das Spiel des Lebens liefern und haben an die Sensation geglaubt. Aber ich würde behaupten, dass die ersten 20 Minuten mit das schlechteste war, was ich von uns je gesehen habe!“

Marco Schultz (r.) erzielt den frühen Führungstreffer für den Favoriten. Foto: KBS-Picture.de

Der klare Favorit übernahm sofort das Kommando und ließ überhaupt keine Zweifel aufkommen, wer hier der Chef im gegnerischen Haus sein würde. Die „Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin“-Sprechchöre des Wedeler Anhangs erstickten die Gäste sofort durch Jubelgesänge. Denn es dauerte keine sechs Minuten, bis Jeremy Karikari auf rechts Marco Schultz frei spielte, der Tim Jobmann ganz alt aussehen ließ und aus 13 Metern ins linke Eck einschweißte! Ausgerechnet Schultz, werden sich die Eintracht-Fans gedacht haben. Denn der 24-Jährige wird Norderstedt nach dieser Saison verlassen müssen. „Mir wurde mitgeteilt, dass man nicht mehr mit mir plant“, erklärte der Schütze hinterher. Schultz steht unmittelbar vor einem Wechsel zum Oberliga-Meister aus Dassendorf. Chefcoach Thomas Seeliger meinte derweil: „Das zeigt seinen Charakter. Er war lange verletzt und hat dadurch einige Zeit kein Erfolgserlebnis gehabt. Aber heute hat er ein überragendes Spiel gemacht.“ Wenig später durften die Garstedter bereits den vermeintlich vorentscheidenden Treffer zum 2:0 bejubeln, als Karikari nach einem Eckball von „Captain“ Philipp Koch im Sechzehner am höchsten stieg und mit Hilfe von Wedel-Fänger Stefan Steen, der die Kugel am Boden liegend nicht ganz zu fassen bekam, ins rechte Eck einschädelte (21.)! Auch die Zukunft des ehemaligen St. Paulianers an der Ochsenzoller Straße ist noch nicht geklärt. „Da gibt es von beiden Seiten keine Eile, wir wollen erstmal die Saison zu Ende bringen“, so Seeliger.

Sonay Hayran (l.) brachte den Außenseiter mit einem Freistoß-Hammer kurzzeitig zurück. Hier im Duell mit Norderstedts Juri Marxen. Foto: KBS-Picture.de

Vom Hammonia-Ligisten war bis auf einen Eggers-Freistoß, der jedoch zwei Meter übers Gebälk flog (13.), offensiv rein gar nichts zu sehen. „Schade“, wie Barthel befand und anfügte: „Natürlich wünscht man sich in einem Pokal-Halbfinale vor so vielen Zuschauern eine Top-Leistung, aber wir konnten heute nicht abliefern.“ Stattdessen musste man sich der Stärke und der Dominanz der Eintracht erwehren. „So ein Tor wie das 0:1 aus unserer Sicht schießt bei uns in der Liga keiner. Auch das zweite Gegentor ist untypisch für uns, da es ganz selten vorkommt, dass wir in der Landesliga nach einem Standard einen Treffer kassieren. Normalerweise ist da eher das Gegenteil der Fall.“

Kollektiver Jubel bei Eintracht Norderstedt über den Finaleinzug. Foto: KBS-Picture.de

Die 450 zahlenden Zuschauer im Elbestadion erlebten auch zu Beginn von Abschnitt zwei ein Scheibenschießen der Norderstedter. Zunächst verpasst Schultz nach Nadler-Flanke per Kopf das 3:0 nur haarscharf (60.), ehe Juri Marxen nach Lindeners Hereingabe zuerst geblockt wurde, dann den linken Innenpfosten traf, um dann mit anzusehen, wie auch Schultz im dritten Versuch nicht an Stefan Steen vorbeikam (63.). Statt einer endgültigen Entscheidung, „hat man gesehen, dass Norderstedt sich dachte: Es steht hier 2:0. Was soll uns schon großartig passieren? Dadurch haben sie uns ein bisschen ins Spiel kommen lassen“, so Barthel, dessen Schützlinge aus dem absoluten Nichts – mit dem zweiten Abschluss in Richtung des Tores von Ole Springer – tatsächlich verkürzten: Koch foulte Eggers. Den fälligen Freistoß aus 25 Metern zentraler Position zimmerte Sonay Hayran in fast schon gewohnter Manier durch die Mauer hindurch ins linke untere Toreck – nur noch 1:2 (72.)! „Wir wussten, dass Wedel bei Standardsituationen gefährlich ist. Einmal haben sie uns damit erwischt“, so Seeliger. Sein Gegenüber meinte: „Danach haben wir alle gehofft, dass wir jetzt ein richtiges Pokalspiel zu sehen bekommen und die Zuschauer mitreißen können.“ Und tatsächlich: Thomas Koster flankte von rechts und Aytac Erman, der komplett wirkungslos blieb, köpfte am zweiten pfosten stehend knapp vorbei (74.). Endlich war mal so etwas wie Entschlossenheit beim „Underdog“ zu sehen! Allerdings war diese nur von äußerst kurzer Dauer. Keine fünf Minuten nach dem Anschlusstreffer „stolperte“ Jobmann in die Hacken von Schultz, der von Koch auf die Reise geschickt wurde – Elfmeter! Jan-Philipp Rose lief an und verwandelte, wenn auch mit ein wenig Glück, da Steen noch dran war, zum 3:1 (78.)!

„Man hat gesehen, dass wir reifer und weiter sind, haben nahezu nichts zugelassen“, konstatierte Seeliger. Sein Trainerkollege übte sich hingegen in etwas Sarkasmus: „Es klingt blöd, aber was ich lobend erwähnen muss, ist unsere Chancenverwertung. Ein Schuss, ein Tor!“ Nichtsdestotrotz bilanzierte Barthel: „Mit der zweiten Halbzeit kann ich absolut leben, gegen diesen Gegner kann man definitiv verlieren. Schade ist nur, dass wir in der ersten Halbzeit nicht annähernd das gezeigt haben, was wir eigentlich können.“ Die abschließenden Worte gebühren dem Coach des Finalisten, Thomas Seeliger, der eine Kampfansage an Altona rausschickte: „Wir werden den Pott holen, davon bin ich ganz fest überzeugt!“ Warum? „Weil wir die bessere Mannschaft sind!“

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