„Wer in der Regio gewinnen will, darf sich nicht so präsentieren!“

Norderstedt bekommt von Lübeck die Grenzen aufgezeigt

24. September 2016, 00:05 Uhr

In der ersten Halbzeit kochten zwischen beiden Teams die Emotionen hoch, als sich EN-Kapitän Koch zu einem rüden Einsteigen hinreißen ließ.

Er wurde deutlich, sehr deutlich sogar. Thomas Seeliger, Cheftrainer von Eintracht Norderstedt, wollte sich nach der klaren 1:3-Schlappe beim VfB Lübeck „ganz kurz fassen“, wie er sagte, weil „all das, was ich sagen würde, auch falsch interpretiert werden könnte“. Und dann holte er so richtig aus: „Wer in der Regionalliga Spiele gewinnen will, ganz egal gegen welche Mannschaft, der darf nie und nimmer so auftreten, wie wir es insbesondere in den ersten 45 Minuten gemacht haben! So kannst du kein Spiel gewinnen und so werden wir auch kein Spiel mehr gewinnen. Es war für uns ein richtig schlechter Ausflug, der absolut wehgetan hat.“

Da geriet das Debüt von Neuzugang Jordan Brown komplett in den Hintergrund. Denn zu unterlegen waren die Garstedter vor 1325 Zuschauer auf der Lohmühle. „In der ersten Halbzeit haben wir es überhaupt nicht geschafft, die Leistung auf den Platz zu bekommen. Im Gegenteil. Wir haben gar nix gezeigt!“, zeigte sich auch Torhüter Johannes Höcker hochgradig unzufrieden – und fügte an: „Zum Kotzen!“ Die Eintracht bekam so gut wie überhaupt keinen Zugriff auf den Gegner, musste mit ansehen, wie die Lübecker sich immer wieder durch die unheimlich löchrigen Ketten der Gäste kombinierten. Der überragende Marvin Thiel leitete den Führungstreffer des VfB ein, als er links im Strafraum Henrik Sirmais bediente. Dieser narrte Juri Marxen und hatte mit seinem abgefälschten Schussversuch Glück, dass Gary Noel goldrichtig stand und reflexartig am zweiten Pfosten den Fuß reinhielt – 1:0 (16.)! Zwar hatte Felix Drinkuth – nach Lüneburg-Vorarbeit – wenig später die Chance auf das 1:1. Doch Lübecks Keeper Jonas Toboll reagierte glänzend (21.), ehe seine Vorderleute auf der Gegenseite wieder Akzente setzten. Während Norderstedt in der Rückwärtsbewegung mit alt-bewährtem 4-1-4-1-System unheimliche Lücken offenbarte, flankte Marcello Meyer aus dem rechten Halbfeld auf den ersten Pfosten, wo kein Innenverteidiger Thiel auf dem Zettel hatte, der ins lange Eck vollendete (27.)!

„Irgendwo hat's auch am Willen gemangelt“

Glänzte als Doppeltorschütze beim VfB: Marvin Thiel. Archivbild: KBS-Picture.de

Die Eintracht lief nur hinterher. Vor allem bei Kapitän Philipp Koch machte sich der Frust bemerkbar: Mit gestreckten Beinen rauschte er direkt an der Lübecker Bank in Sirmais hinein (34.). Plötzlich drohte das Geschehen zu eskalieren. Spieler, Trainer und Betreuer versuchten, die Streithähne zu trennen. Koch hatte indes Glück, dass der Ball zumindest noch in der Nähe war, weshalb er „nur“ den gelben Karton sah. Sein Trainer reagierte jedenfalls mit der Auswechslung des „Captains“, der gnadenlos ausgepfiffen wurde – und dieses mit einigen provokanten Gesten sowie Handküssen in Richtung der Zuschauer quittierte. Nachdem der eine „Buhmann“ raus war, suchten sich die Lübecker Anhänger ein neues „Opfer“: Deran Toksöz, der gerne mal etwas leicht zu Boden sinkt und das auch in diesem Spiel ein ums andere Mal tat, wurde fortan bei jedem Ballkontakt mit „Aua“-Rufen bedacht. „Wir haben eine ganz schwache erste Halbzeit gespielt! In den Zweikämpfen hat es uns am Durchsetzungsvermögen gemangelt und irgendwo auch am Willen. Dementsprechend haben wir folgerichtig die Gegentore kassiert. Wir haben uns in der Pause gesagt, dass das so gar nicht geht. Es war eine der schlechtesten Halbzeiten, die wir in dieser Saison gespielt haben. So dürfen wir nicht auftreten! Wir waren generell sehr offen, es fehlte an der Aggressivität“, machte auch Marxen seinem Unmut über das Gezeigte Luft.

„Wir werden dieses Spiel aufarbeiten“

Johannes Höcker war nach dem Spiel bedient und fand klare Worte. Archivbild: noveski.com

Doch es sollte nicht viel besser werden. Lübeck führte die Gäste phasenweise vor! Das 3:0 war die fast schon logische Konsequenz, als Linksverteidiger Jan-Philipp Rose zunächst gegen Thiel zu spät kam, der nach butterweicher Hereingabe mit seinem Kopfball aus kürzester Distanz noch am überragend reagierenden Höcker scheiterte. Anschließend setzte der Offensivakteur auch noch gedankenschneller nach, gab Rose abermals das Nachsehen und schoss aus halbrechter Position flach ins lange Eck ein (68.)! Die Seeliger-Elf wollte sich zumindest mit Anstand verabschieden. Zuerst touchierte Lüneburgs „Header“ nach Marxen-Flanke noch den rechten Außenpfosten (74.), ehe Felix Drinkuth in der Nachspielzeit einen Abspielfehler von Sven Mende zu nutzen wusste und die Kugel aus 22 Metern zentraler Position unters Gebälk jagte (90. +1)! Große Freude kam bei den Norderstedtern nicht mehr auf. Dabei war es im dritten Anlauf an der Lohmühle der erste Torerfolg von EN!

„Wir haben uns viel mehr vorgenommen, aber keine Kampfstärke und keine Laufbereitschaft an den Tag gelegt“, echauffierte sich Höcker. „Wir wollten uns in der zweiten Halbzeit zumindest vernünftig präsentieren. Das ist uns phasenweise gelungen. Aber unterm Strich muss man sagen: Das war ein absolut gebrauchter Abend!“ Sein Übungsleiter bilanzierte unterdessen: „Ich möchte die Dinge, die wir heute dargeboten haben, in interner Runde besprechen. Nur eines ist klar: Wir werden dieses Spiel aufarbeiten und dann positiv nach vorne gucken, auch wenn es mir heute sehr schwer fällt, dem etwas Positives abzugewinnen.“ Sein Gegenüber, der Österreicher Rolf Landerl, hatte hingegen nur lobende Worte für seine „Burschen“ über: „Wir haben sehr gut ins Spiel gefunden und uns für die Leistung schnell belohnt. Insgesamt kann man nur sehr zufrieden sein!“

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