„Riskieren wir alles?“ – „Nein!“ – „Machen wir aber!“

Osdorf feiert sich, den Manager - und eine Aufholjagd

25. Februar 2017, 01:17 Uhr

Sascha Blume (Mi.) hauchte seinen Osdorfern mit dem Ausgleichstreffer wieder Leben ein. Foto: KBS-Picture.de

Seit Jahr und Tag ist Cemil Yavas einer der Hauptprotagonisten des Osdorfer Erfolgs. Der Liga-Manager gehört zu den Gesichtern des Oberliga-Aufsteigers, der sich mehr und mehr zum Favoritenschreck in Hamburgs höchster Spielklasse mausert. Am Freitag feierte Yavas seinen 32. Geburtstag. Glückwunsch von dieser Stelle! Nun war es an den Spielern, ihrem „Macher“ im Hintergrund das passende Geschenk in Form von drei Punkten zu machen. Doch der Gegner aus der Nordheide hatte etwas dagegen – und so sah es auch lange Zeit nicht danach aus, als würde der TuS etwas Zählbares daheim behalten…

Kam vor dem Spiel aus dem Händeschütteln gar nicht mehr raus: "Geburtstagskind" Cemil Yavas. Foto: KBS-Picture.de

In der Pause griff Osdorf-Coach Piet Wiehle einmal mehr in die Trickkiste: „Ich habe den Jungs gesagt, dass sie anlässlich Cemils Geburtstag noch gemeinsam eine Sause machen wollen und dass das natürlich mit einem Sieg immer schöner ist. Cemil ist ein Typ, der hier so viel macht. Wir sind alle glücklich, dass wir ihn haben. Und da kann man sich für so einen Typen, der dermaßen wertvoll für eine Mannschaft ist, auch mal den Arsch aufreißen!“ Gesagt, getan. Dabei hatte es, wie eingangs schon erwähnt, erst einmal nicht den Anschein, dass Osdorf den Gästen in die Suppe spucken könnte. Arne Gillich prüfte das Gehäuse der Hausherren gleich dreimal: erst scheiterte der „Captain“ an Claus Hencke (10.), dann setzte er einen Eckball an den rechten Pfosten (11.), ehe „Mr. Buchholz“ nach einer Müller-Hereingabe urplötzlich völlig blank stand, beim Abschluss aber zu überrascht schien, so dass Hencke sicher zupacken konnte (37.). Aber dann: Metzlers langer Diagonalball von rechts landete bei Leif Wilke, der vom linken Flügel nach innen zog. TuS-Verteidiger Dennis Schmidt machte unliebsame Bekanntschaft mit dem rutschigen Belag – und auf einmal hatte 08-Rückkehrer Karol Tocha freie Schussbahn. Dessen Versuch kratzte Hencke spektakulär aus dem rechten Knick, doch Müller setzte am zweiten Pfosten nach – 0:1 (45.)!

Mallwitz verpasst das zweite Tor, Blume nutzt Wilke-Aussetzer

Torben Krause (li.) prägte die Konversation des Abends am Blomkamp. Hier gegen Nikolas Mallwitz. Foto: KBS-Picture.de

„Mit dem Pausenpfiff“, ärgerte sich „Geburtstagskind“ Yavas, „aber es hatte sich angebahnt.“ Richtig erkannt. Auch Trainer Wiehle befand: „Das war nicht der TuS Osdorf, wie man den TuS Osdorf kennt.“ Laut wurde der 47-Jährige in der Kabine dennoch nicht: „Nein, weil ich keinen Grund darin gesehen habe. Schreien ist für mich immer ein Zeichen von Schwäche, wenn alle Stricke reißen. Wir haben es relativ sachlich gelöst.“ Und eben mit jener Motivationsspritze, die den Namen Cemil Yavas trägt. Nichtsdestotrotz: Nikolas Mallwitz hätte das vermeintlich vorentscheidende 2:0 für die Nordheider köpfen können, als er nach Gillichs Freistoß unendlich viel Platz hatte (64.). Dies tat er aber nicht – und so schlug es auf der anderen Seite ein. Der kurz zuvor eingewechselte Antonio Ude marschierte die rechte Grundlinie herunter. In der Mitte profitierte der bis zu diesem Zeitpunkt oftmals unglücklich wirkende Sascha Blume vom Aussetzer Philipp Wilkes: Der Torsteher ließ die Hereingabe fallen, der „Sturmtank“ bedankte sich auf seine Weise – 1:1 (66.)!

„Riskieren wir alles?“ – „Nein!“ – „Machen wir aber!“

Karol Tocha (Mi.) wird von Bennet Krause (li.) und Sascha Blume in die Mangel genommen. Foto: KBS-Picture.de

Es folgte das verbale Highlight der 90 Minuten. Osdorfs Torben Krause schritt wild gestikulierend in Richtung Bank, stoppte kurz vorher ab und fragte den „Chef“: „Piet, wollen wir riskieren und auf drei Punkte gehen?“ Die Antwort: „Nein, ein Punkt gegen Buchholz ist ein gutes Ergebnis.“ Die Reaktion Krauses: „Machen wir aber!“ Keine 30 Sekunden später legte sich jener „TK9“ den Ball zu einem Eckstoß zurecht, brachte diesen von rechts derart scharf vors Tor, dass ein ganzes Pulk an Spielern hochstieg – und auf einmal lag die Pille im Netz der 08er! Doch wer hat getroffen? S. Blume ließ sich ein zweites Mal feiern, auch Jeremy Wachter war in der Verlosung. Schlussendlich brachte der Videobeweis von „Fupa“ ein wenig Licht ins Dunkel: Es war wohl ein Eigentor von Karol Tocha, der unglücklich in die eigenen Maschen „schulterte“! Aber viel wichtiger: Torben Krause hielt Wort, wollte die drei Punkte und sorgte auch dafür, dass seine Schützlinge nun auf dem besten Weg dazu waren.

„Wir haben aufgehört, Fußball zu spielen!"

Es begann eine spannende Schlussphase – allerdings fehlten dem TSV nun die Ideen. Von der Überlegenheit im ersten Durchgang war nichts mehr übrig. „Wir haben uns den Schneid abkaufen und von der Stimmung beeindrucken lassen und aufgehört, Fußball zu spielen. Wir haben nur noch reagiert und förmlich um Gegentore gebettelt“, brachte es Thorsten Schneider auf den Punkt. Trotzdem wurde es noch einmal kribbelig für die Hausherren. Denn Kevin Trapp handelte sich kurz vor Schluss die Rote Karte ein, als er in der Vorwärtsbewegung den Ball verlor und etwas zu rustikal nachsetzte. Eine sehr harte Entscheidung von Referee Alexander Teuscher (SC Eilbek). In Überzahl hatte Mallwitz tatsächlich noch die Chancen auf das 2:2 – doch seine Kopfball-Bogenlampe nach Amessan-Flanke senkte sich knapp über den Querbalken (89.). Auch in der vierminütigen Nachspielzeit sollte nichts mehr anbrennen. Nach Metzlers abgefälschtem Schussversuch war Schluss. „Wir haben uns gesagt, dass Osdorf nicht Osdorf wäre, wenn nach dieser ersten Halbzeit, in der wir viel zu passiv waren, nicht noch irgendwas passieren würde“, fasste Wiehle treffend zusammen.

„Wollte keine Auflösungserscheinungen riskieren!"

Die Kapitäne im Duell: Arne Gillich (li.) vs. Bennet Krause. Foto: KBS-Picture.de

Sein Gegenüber haderte vor allem mit der Chancenverwertung in den ersten 45 Minuten: „Aus meiner Sicht haben wir das Spiel da kontrolliert und verpasst, ein zweites Tor nachzulegen.“ Angesprochen auf den „Austausch“ mit seinem „Neuner“ unmittelbar vor dem 2:1, entgegnete Wiehle: „Ich habe die Frage nicht so wirklich verstanden. Denn für mich klang das so, als wenn er damit sagen wollte: wir riskieren jetzt alles. Und das wollte ich nicht. Selbst wenn wir 1:1 gespielt hätten, wäre die Welt für mich ja vollkommen in Ordnung gewesen. Ich habe mir das genau so vorgestellt, wie wir das schlussendlich gemacht haben. Wir spielen so diszipliniert weiter und versuchen, den Gegner unter Druck zu setzen im Aufbauspiel, um zu Torchancen zu kommen. Ich wollte keine Auflösungserscheinungen riskieren.“ In der Tabelle hat der Liga-Neuling mit 32 Punkten ebenso viele auf der Habenseite wie zum Beispiel BU. Was aber noch viel beeindruckender ist: aus den letzten sechs Partien holte Osdorf 16 von 18 möglichen Punkten und ist außerdem das beste Rückrundenteam der gesamten Oberliga! Zudem lehrte man dem nächsten „Favoriten“ das Fürchten. „Buchholz ist vielleicht nicht so ein klangvoller Name wie Altona oder Dassendorf, aber wenn sie ihre beiden Nachholspiele gewonnen hätten, wären sie Tabellenführer gewesen. Das darf man nicht vergessen! Die leben im Gegensatz zu vielen anderen Spitzenteams von ihrer mannschaftlichen Geschlossenheit.“ Selbiges trifft aber auch auf den TuS Osdorf zu, der einen mündigen „TK9“ in seinen Reihen hat, auf den stets Verlass ist, sowie einen Manager, für den die Partynacht auf dem Kiez erst jetzt in die Gänge kommt…

Autor: Dennis Kormanjos