So ein SCHIE(D)T aber auch…

Dassendorf verspielt 2:0-Führung bei "charakterstarken" Victorianern

25. März 2017, 00:49 Uhr

Marcel von Walsleben-Schied (li.) hatte kurz vor Schluss die Riesenchance zum Sieg. Hier sieht er sich der engen Bewachung von Marc Lange gegenüber. Foto: KBS-Picture.de

Sechs Spielzeiten lang duellierten sich Marius Ebbers und Marcel von Walsleben-Schied in der zweiten Fußball-Bundesliga. Während Ebbers in dieser Zeit für den 1. FC Köln (04/05), Alemannia Aachen (05/06, 07/08) und den FC St. Pauli (08/09, 09/10, 11/12) auf Torejagd ging, tat es ihm Schied in jener Zeit bei der SpVgg Unterhaching (04/05), Hansa Rostock (05/06, 09/10, 11/12) und Carl Zeiss Jena (07/08) gleich. Insgesamt haben die beiden Vollblutstürmer sogar etliche weitere Erst- und Zweitliga-Spiele auf dem Buckel. Am Freitagabend trafen sie in der Oberliga Hamburg mit ihren Klubs, dem SC Victoria (Ebbers) und der TuS Dassendorf (von Walsleben-Schied), aufeinander.

Jubel bei Kristof Kurczynksi (2. v. re.) nach dem Dassendorfer Führungstreffer. Foto: KBS-Picture.de

Mit zwei Toren drückte Marius Ebbers dem Duell an der Hoheluft seinen Stempel auf. Aber beinahe hätte Marcel von Walsleben-Schied dem ehemaligen „Kiezkicker“ die Show gestohlen. Beim Stand von 2:2 kurz vor Ultimo hatte der gebürtige Sachse nämlich die Riesenchance auf dem Fuß, als Victorias Tarek Abdalla in der Vorwärtsbewegung leichtfertig den Ball verlor und Beytullah Atug den Ex-Profi geschickt auf die Reise schickte. „Man weiß ja, wie es ist, wenn ein Stürmer zu viel Zeit hat“, sagte der 33-Jährige anschließend. „Da fehlt am Ende vielleicht auch ein Stück weit die Konzentration. Ich wollte es eigentlich so machen, wie ich es immer mache und am Torwart vorbeigehen. Aber der hat eine gewisse Länge und hat das irgendwie gerochen.“ Denn von Walsleben-Schied blieb bei seinem Alleingang an Vicky-Schlussmann Tim Wiegand hängen, der dem Angreifer die Kugel vom Fuß schnappte.

„Da hätte man Schlimmes befürchten können“

Der Ex-Victorianer Rinik Carolus (li.) kann's kaum glauben, was Teamkollege André Ladendorf da für ein Kunstschuss zum 2:0 für die TuS gelungen ist. Foto: KBS-Picture.de

Und so war es eben doch Marius Ebbers, der sein Team und seinen Trainer nach den wenigen, aber auch wenig glücklichen, letzten Auftritten aufatmen ließ. Nach einem frühen 0:2-Rückstand – selbst Vicky-Coach Jasko Bajramovic gestand hinterher: „Da hätte man Schlimmes befürchten können, gerade aufgrund der individuellen Stärke des Gegners.“ – war es der 39-jährige „Blondschopf“, der die erste wirklich nennenswerte Offensivaktion der Hausherren zum Erfolg brachte: Nach einem Nikroo-Einwurf und anschließendem Scharkowski-Pass auf Sergej Schulz flankte dieser von rechts – und hatte Glück, dass seine Hereingabe von Dassendorfs „Abwehrbank“ Marcel Lenz per Kopf in den Rücken der Verteidigung verlängert wurde, wo Ebbers lauerte und eiskalt vollstreckte (27.)! „Der Anschlusstreffer war extrem wichtig, der hat den Jungs Mut gemacht“, konstatierte Bajramovic. Während von Walsleben-Schied ein „total dummes Gegentor“ sah.

„Es hätte hier 3:0 oder 4:0 für uns stehen können“

Zuvor merkte man den Mannen von der Hoheluft die fehlende Matchpraxis und das nicht gerade überschäumend vorhandene Selbstvertrauen deutlich an. Früh im Spiel schien es so, als hätte der „Dauer-Champion“ bereits eine Vorentscheidung herbeigeführt – und das per Doppelschlag innerhalb von 60 Sekunden. Erst schloss der starke Kristof Kurczynski einen tollen Spielzug über Ladendorf, Finn-Lasse Thomas und von Walsleben-Schied zur Führung ab (10.), ehe sich André Ladendorf aus fast 25 Metern ein Herz fasste und mit seinem Strahl SCV-Fänger Wiegand in eine Art Schockstarre versetzte (11.)! „Ich denke, auch ohne zu übertreiben, hätte es hier 3:0 oder 4:0 für uns stehen können. Das war eine klasse erste Halbzeit mit sehr aggressivem Pressing und riesiger Laufbereitschaft. Stattdessen macht der Gegner mit der ersten Aktion das Tor“, ärgerte sich Peter Martens, dem wir an dieser Stelle nochmal die herzlichsten Glückwünsche zum 59. Geburtstag ausrichten wollen.

„Wir haben gezeigt, welche Moral und welchen Charakter die Jungs haben“

Nick Scharkowski (li.) und Sven Möller im Luftduell. Foto: KBS-Picture.de

Und plötzlich, nach jenem 1:2-Anschlusstreffer aus Victoria-Sicht, hatte Dassendorf hatte ein sicher geglaubtes Spiel aus der Hand gegeben. „Wir haben die ersten 20, 25 Minuten nach der Pause die Kontrolle verloren, den Ball nicht mehr halten können, längst nicht mehr so kompakt gestanden und auch die zweiten Bälle nicht mehr gewonnen. Vicky hat mit viel Herz dagegengehalten“, befand Martens. „Wenn man 2:0 führt, muss man das eigentlich über die Runden bringen – auch wenn noch lange zu spielen war“, bemängelte von Walsleben-Schied. „Der Start ins Spiel war für uns ein bisschen ernüchternd. Aber wir haben gezeigt, welche Moral und welchen Charakter die Jungs haben“, meinte indes Bajramovic, der in Minute 67 das sah, was sich Augenblicke zuvor schon andeutete: Der gerade eingewechselte Marcel Rodrigues scharf vom rechten Strafraumeck auf den zweiten Pfosten, wo sich natürlich einmal mehr Marius Ebbers artig bedankte – 2:2! „Mitte der zweiten Halbzeit können wir froh sein, nicht das Dritte zu bekommen. Da hat man dann gesehen, dass Vicky eben auch bisschen Klasse hat“, gab von Walsleben-Schied unumwunden zu.

„Die zwei verletzten Spieler tun genauso weh, wie die liegengelassenen Punkte“

Henrik Dettmann (li.) wird von Mirco Bergmann bearbeitet. Foto: KBS-Picture.de

Und dennoch hätte er den finalen „Punch“ setzen können. „Es ist schade und tut mir leid für die Mannschaft. Aber es ist noch nichts verloren. Wir ärgern uns heute und das ganze Wochenende, werden aber ab Montag wieder alles dafür tun, dass wir im Titelrennen bleiben.“ Sein Trainer beurteilte besagte Szene wie folgt: „Hintenraus wurde es ein total offenes Spiel – eigentlich mit dem Luckypunch für uns. Das ist bitter, dass ‚Schiedi‘ den nicht macht, passiert aber auch einem Torjäger mal, dass er eine falsche Entscheidung trifft. So müssen wir das Ergebnis akzeptieren und werden uns nicht geschlagen geben.“

Denn das Ergebnis bedeutet auch, dass sich Altona 93 höchstwahrscheinlich ins Fäustchen gelacht haben wird. „Mit dem Unentschieden nach einer 2:0-Führung kann ich natürlich überhaupt nicht zufrieden sein“, sagte Martens, dessen Elf in der Anfangsphase eigentlich alles im Griff hatte. „Auf die leichte Schulter haben wir das Spiel und den Gegner zu keiner Sekunde genommen. Auch nicht nach dem 2:0“, stellte der frisch gebackene 59-jährige Martens klar, fügte aber auch gleichzeitig an: „Die zwei verletzten Spieler tun genauso weh, wie die zwei liegengelassenen Punkte.“ Torschütze Kurczynski musste in der Halbzeit in der Kabine bleiben und erlebte das Spielende ebenso wenig wie Henrik Dettmann, der sich kurz vor Schluss am Sprunggelenk verletzte. „Die Auswechslung von Kuczy hat uns sehr wehgetan und war fatal. Er war bis dahin unser stärkster Spieler in der Offensive“, erklärte Martens abschließend.

Autor: Dennis Kormanjos

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