Der Eine hat Baustellen auf, der Andere neben dem Platz...

Abpfiff – die FussiFreunde-Kolumne

13. April 2017, 18:43 Uhr

Foto: KBS-Picture

Ab sofort greifen wir an dieser Stelle unter dem Titel „Abpfiff“ in unserer Kolumne die Geschehnisse des Wochenendes und die wichtigsten Themen der vorangegangenen Woche im Hamburger Fußball auf und kommentieren diese. Dieses Mal geht es vorrangig um die Trennung zwischen dem SC Victoria und Jasko Bajramovic sowie die Vorgeschichte zum Spiel der TuS Dassendorf gegen den SV Rugenbergen am zurückliegenden Dienstag.

Es war die große Überraschung in der zu Ende gehenden Woche. Und dann irgendwie doch wieder nicht. Dass der SC Victoria als Zehnter in der Tabelle der Oberliga weit hinter dem Anspruch hinterherhinkt, den der Clubs selbst dann, wenn man das Ziel abgespeckt realistisch betrachtet, an sich hat – das ist ein offenes Geheimnis. Jeder kann es im Tableau ablesen. Und so wäre es kein Wunder gewesen, wenn der Verein von der Hoheluft irgendwann mal ganz offen darüber nachgedacht hätte, seinen Trainer Jasko Bajramovic an die frische Luft zu setzen. Hat aber keiner. Weder öffentlich noch intern. Sagt Manager Jean-Pierre Richter, dem seit seiner Verpflichtung immer wieder nachgesagt wird, Bajramovic sei ja sowieso nur der Platzhalter gewesen, bis „Jonny“ irgendwann übernehmen werde. Doch dazu später mehr.

In der Entwicklung stagniert

Jasko Bajramovic wollte ab dem Sommer bei Vicky nicht mehr weitermachen, nun musste er sofort gehen. Foto: KBS-Picture

Nun also hat der SC Victoria sich in dieser Woche tatsächlich von Bajramovic getrennt. Nicht etwa aber aufgrund großer Unzufriedenheit, wie Richter sagt. Sondern erst – oder besser gesagt: weil Bajramovic dem Club mitteilte, zum Saisonende aufzuhören zu wollen. Aufgrund dieser Tatsache, so heißt es in einer Pressemitteilung – die übrigens diesen Titel eher zu Unrecht trägt, da sie nicht an die Presse versandt, sondern lieber „nur“ auf der vereinseigenen Homepage veröffentlicht wurde –, habe man sich entschlossen, dass „eine sofortige Beurlaubung der richtige Schritt ist.“ So weit, so gut. Eigentlich, so sagt Jean-Pierre Richter, habe der Verein zusammen mit Bajramovic „für eine gemeinsame nächste Saison geplant.“ Nun, wie gesagt: in umgekehrter Form, wenn Vicky dem Coach aus völlig eigenem Betreiben und nicht erst als Reaktion auf eine Entscheidung, den Stuhl vor die Tür gesetzt hätte, wäre dies nicht unbedingt so unerwartet gewesen.

Die Fakten liegen schließlich auf der Hand: In der Hinrunde lebte die Mannschaft mehrheitlich den Fähigkeiten eines Marius Ebbers und eines Len Strömer, überzeugte fußballerisch trotzdem selten. Mit dem derzeitigen Platz zehn kann der Verein nicht zufrieden sein. Selbst dann nicht, wenn man einen Sprung unter die Top-Teams als oberste Prämisse außen vor lässt. Auch in diesem Falle müsste der SCV mindestens um die Plätze vier, fünf, sechs oder sieben mitspielen. Weitere Belege? Gerne: Gegen BU zum Beispiel präsentierte man sich ideen- und leblos, gegen Osdorf verspielte man beim 3:3 eine 3:0-Führung. Eine Weiterentwicklung ist nicht festzustellen. Vicky hat die letzten Jahre eher erfolglos und unattraktiv gespielt. Gegenargument: der Umbruch, den Verein und Mannschaft eingeleitet haben und durchschreiten müssen. Klar, dass es da Einschnitte gegeben hat. Ja, richtig – doch es folgt das große Aber: Warum beispielsweise sitzt ein Furkan Aydin, der für die „Zweite“ gegen Niendorf II drei Mal trifft, gegen Osdorf 90 Minuten auf der Bank, wenn man doch im neuen Konzept auf die Jugend setzt und große Namen keine Rolle mehr spielen!? Oder: Warum bekommt ein Daniel Tramm, der in der Vicky-Reserve trifft, wie er will, nicht einmal „oben“ eine Chance?

Weg vom Anspruch „Top-Team“, um wieder eines zu werden?

"Wen hole ich bloß": SCV-Manager Jean-Pierre Richter in nachdenklicher Pose. Er musst einen Trainer finden, der ab Sommer an der Hoheluft die Geschicke übernimmt. Foto: noveski.com

Allein: alles auf Bajramovic zu schieben, wäre zu einfach. Der Verein hat ihn zwar nie öffentlich in die Schusslinie manövriert, ihn aber auch nicht aus selbiger gezogen, indem man von Anfang an die berühmten „kleinen Brötchen“ gebacken hat. So deutete jeder Bajramovic' Ankündigung attraktiven Fußball spielen lassen zu wollen, als Ansage an die Konkurrenz und Blick nach oben. Daran muss(te) sich Bajramovic messen lassen. Hat er, neben der Tatsache, dass er familiär und beruflich eingespannt und deswegen auf lange Sicht nicht mehr die nötige Energie und Zeit investieren kann, erkannt, dass er diesem Anspruch nicht gerecht wird? Hat er die Erkenntnis gewonnen, dass „attraktiver Fußball“ aus seiner Sicht mit dieser Mannschaft nicht möglich ist? Fakt ist: Die Entscheidung von Bajramovic und die Reaktion des SCV bescheren dem Verein nun eine Baustelle. Wer übernimmt interimsmäßig? Wer wird im Sommer neuer Trainer? Die Antwort liegt in beiden Fällen nah: Jean-Pierre Richter. Der junge Mann war immerhin Hamburgs Trainer des Jahres 2016 und weiß, was er tut, ist akribisch bis ins Detail, wahnsinnig gut vernetzt und ein im positivsten Sinne Fußball-Bekloppter. Einziger Haken: er ziert sich. Er will partout nicht der große „Chef“ sein.

Er habe, und da hat Richter recht, nie auch nur ansatzweise angedeutet, dass er beim SCV den Trainerstuhl besteigen wolle. Nun ist trotzdem sehr sicher, dass er es bis zum Saisonende, wie auch immer geartet, in einem Team als einer von mehreren „Entscheidern“ – Co-Trainer Jerry Sampaney an seiner Seite – doch irgendwie tun wird. Der große Hoffnungsträger, der dem SCV den Erfolg vergangener Tage zurückbringt, aber wird Richter ab dem Sommer nicht sein. Vielmehr steht der Club nach dem zuletzt initiierten Umbruch auf der Spielerseite davor, vielleicht nochmal einen Umbruch vollziehen zu müssen. Auf der Trainerbank. Ist man gewillt, viel Geld für einen Trainer vom Format eines „Aki“ Cholevas, Thomas Seeliger oder Oliver Dittberner in die Hand zu nehmen und hat man die Taler angesichts eines rigiden Sparkurses überhaupt? Oder wählt man die Option, einen „Entwicklungstrainer“ zu holen? Einen, der noch mehr auf die Verzahnung zwischen Liga-Team, Reserve und A-Jugend setzt. Einen, der Talente fordert und fördert. Der Haken: Ein solcher Coach bräuchte Zeit für diese Entwicklung. Vicky müsste weg vom Anspruch, sofort ein Top-Team zu sein, um sich auf lange Sicht wieder zu einem zu entwickeln. Den idealen Mann übrigens... Ach, lassen wir das: Jean-Pierre Richter wird’s ja nicht machen, sondern bleibt bei seiner Aussage.

Dumm gelaufen!

Jan Schönteich notiert: "Auf dem Trainingsplatz wollen wir keine Pflichtspiele mehr absolvieren" – doch ganz unschuldig war die TuS Dassendorf nicht, dass dort gekickt wurde. Foto: noveski.com

Apropos Aussage: Dassendorfs Sportchef Jan Schönteich preschte vor einigen Tagen lautstark nach vorne, als es um die Ansetzung des Spiels der TuS gegen den SV Rugenbergen ging. Das fand bekanntlich auf dem Trainingsplatz der TuS statt, der – sorry – allenfalls die Qualität einer besseren Kuhwiese hat. Oder haben Sie, liebe Leser, schon mal ein Oberligaspiel erlebt, bei dem der Untergrund einem „Acker“ gleicht oder Tornetze notdürftig festgeklebt werden müssen? Nein, wohl eher nicht. Nur, bei allem Verständnis Schönteichs, in dessen Schimpfkanonade natürlich auch das Wort „Futsal“ mal wieder eine Rolle spielte (mit diesem Sport wird er wohl nie warm werden), und der Verwunderung darüber, warum die Partie des FC Türkiye gegen Pinneberg kurzfristig (!) vom Ostersamstag auf den 16. Mai verlegt wurde, aber die TuS nicht im Mai, sondern nach Verbands-Wunsch eben vorher gegen Rugenbergen spielen sollte: völlig unschuldig ist man in Dassendorf nicht. Schließlich hat Fußball-Abteilungsleiter Niels Jürgens den Trainingsplatz selbst als Ausweichplatz vor rund einem Monat beim Verband angemeldet. Ohne das Wissen der Trainer und des Managements. Dumm gelaufen! Nur gut, dass der erstmalige Sprung seit 326 Tagen (20. Mai 2016) zurück an die Tabellenspitze den Ärger am vergangenen Dienstag etwas gelindert hat...


Jan Knötzsch