Oberliga

Die Geschichte bleibt aus – aber ist die Krönung nur verschoben?

01. Oktober 2023, 18:48 Uhr

HEBC-Keeper Patrick Meins (Mi.) kann dem Ball und dem Einschlag nur hinterherschauen. Die TuRa-Führung durch Fabian Jacobs' Traumtor! Foto: Olaf Both

Er habe es in der Besprechung „überhaupt nicht thematisiert“, verriet Özden Kocadal im Nachgang – und sprach damit auf einen möglichen vereinshistorischen Moment an. Denn: Mit einem Heimsieg gegen TuRa Harksheide (alle Highlights im LIVE-Ticker) hatte der HEBC die ganz große Chance, erstmals in der Club-Geschichte die Tabellenspitze in Hamburgs höchster Spielklasse zu erklimmen. „Natürlich habe ich mich mit meinen Co-Trainern darüber ausgetauscht, ob wir es ansprechen oder nicht. Aber wir wollten nicht, dass sich die Jungs in irgendeiner Weise gehemmt fühlen“, sollte der ganze Fokus dem Spiel gegen die Schwarzer-Schützlinge gelten. Aber Kocadal machte auch keinen Hehl daraus, „bestimmt 100 Nachrichten bekommen“ zu haben. „Mir haben Leute geschrieben, die sich das für uns gewünscht haben. Ich habe eigentlich jedem nur geantwortet: ‚Ich wünschte, du hättest mir das nicht geschrieben.‘ Denn oft ist es dann ja so, dass genau das eben nicht passiert.“

Als wolle er sagen: "Ich weiß selbst nicht, was mir da gelungen ist." TuRa-Schütze Fabian Jacobs blickt etwas ungläubig drein. Foto: Olaf Both

Zwar ging der HEBC in den Schlussminuten noch einmal volles Risiko und zumindest unterbewusst merkte man den Mannen vom Reinmüller auch an, dass man in die Vereins-Annalen eingehen konnte. „Wir wollen gewinnen!“, rief Erciyes Palo seinen Mitspielern bei einem Einwurf zu mehr Beeilung auf (88.). Der Innenverteidiger sorgte zuvor höchstselbst dafür, dass seine Eimsbütteler überhaupt noch einmal die Hoffnung hegten. Nach einer von Fabian Lemke geschlagenen und von Robert Schick verlängerten Ecke war es Palo, der aus 17 Metern rechter Position volles Risiko ging und das Runde im Eckigen einschlagen ließ (77.). Der 1:1-Ausgleich!

Zu mehr reichte es am Ende aber nicht, weil der eingewechselte Semir Demirovic den „goldenen Schuss“ nicht anbringen konnte, sondern nach einem technisch fein ausgespielten Einwurf über Lemke, Allan Muto und Magnus Hartwig das Tornetz nur von außen traf (89.). Viel fehlte nicht – und dennoch blieb die Krönung aus. „Es wäre irgendwie cool gewesen“, gab Kocadal unumwunden zu, „ist am Ende aber auch nicht kriegsentscheidend“, fügte er an.

"TuRa ist einfach gut" - Jacobs-Traumtor bringt Gäste in Front

Fabian Jacobs nimmt Maß - und jagt die Kugel in den linken Giebel. 0:1! Foto: Olaf Both

Zumal seine „Veilchen“ lange Zeit einem Rückstand hinterherliefen, nur wenige Akzente setzen und kaum Torgefahr ausstrahlen konnten. Am Fehlen der Leistungsträger Johann Buttler, Tjorven Köhler oder auch Bastian Stech wollte es der Trainer aber nicht festmachen. „Wahrscheinlich ist die Antwort darauf multifaktorisch zu begründen. Natürlich haben Leute gefehlt, die fürs Offensivspiel einen Mehrwert darstellen. Aber das ist überhaupt keine Ausrede. Es sind verschiedene Gründe und hat zum großen Teil auch einfach daran gelegen, dass TuRa einfach gut ist. Die machen einen richtig guten Job. Wir wussten, dass das ein sehr schweres Spiel wird.“

Das Vorhaben, gegen einen mitspielenden Gegner im Pressing hohe Ballgewinne zu erzielen, ist in der ersten Halbzeit überhaupt nicht aufgegangen. Stattdessen spielte Fabian Jacobs den historischen Spielverderber. Eine Ecke von Nico Schluchtmann wurde von Kevin Houndjame am ersten Pfosten aus der Gefahrenzone genickt – allerdings genau vor die Füße von Jacobs, der das Spielgerät mit dem ersten Kontakt aus 18 Metern per Linksschuss in den linken Giebel nagelte (30.)! „Ich finde, dass wir in der ersten Halbzeit absolut verdient in Führung gegangen sind, weil wir ein sehr gutes Spiel abgeliefert haben. Sehr routiniert und gut von hinten heraus“, so TuRa-Trainer Jörg Schwarzer. „Wobei es auch zwei Situationen gab, die Niklas sehr gut hält“, musste Harksheide-Keeper Grünitz gegen die frei vor ihm auftauchenden Fabian Lemke (5.) und Hendrik Diekmann (40.) sein ganzes Können aufbieten.

"Ein glasklarer Elfmeter"

Ähnliches Spiel auf der anderen Seite. Auch Erciyes Palo (Mi.) geht volles Risiko - und trifft. Foto: Olaf Both

Während Kocadal nach Wiederanpfiff das Offensivspiel mit Raoul Bouveron und Magnus Hartwig belebte, musste Schwarzer Jan-Philip Hartmann rausnehmen. „Dadurch hat uns vorne so ein bisschen der Fluss und die Ballsicherheit gefehlt. Wir hatten sehr viele einfache Ballverluste, die von HEBC aber natürlich auch erzwungen worden sind.“ Und dennoch haderte Schwarzer vor allem mit einer Situation eine Viertelstunde vor Ultimo, als seinem Team ein vermeintlicher Handelfmeter verwehrt wurde. „Das war einfach glasklar! Ich weiß nicht, warum er das nicht gesehen hat“, rätselte Schwarzer – und konnte sich auch über das Zustandekommen des Ausgleichs enorm ärgern.

"Ich mache Niklas überhaupt keinen Vorwurf"

Der Grund: Kapitän Leonard Mai ballte nach einem starken Tackling gegen Hartwig bereits die Faust, ehe Grünitz, der wohl mit dem Stollen in der Schlaufe des anderen Schuhs hängenblieb, der Ball über den Schlappen rutschte. Daraus resultierte der Eckball, der im 1:1 mündete (77.). „Die Ecke darf eigentlich gar keine Ecke sein. Aber da mache ich Niklas überhaupt keinen Vorwurf. Er hat uns in den vergangenen Wochen so viele Punkte festgehalten und Torchancen vom Gegner vereitelt. Auch heute“, bewies Schwarzer Größe – und befand: „Grundsätzlich geht das Ergebnis absolut in Ordnung. In der zweiten Halbzeit hat HEBC auf zwei Spitzen umgestellt und sehr engagiert Fußball gespielt. Und wir haben gezeigt, dass wir in diese Liga gehören und in dieser Liga auch eine anständige Rolle spielen können.“

"Bin mit dem Unentschieden eigentlich zufrieden"

Seine Mitspieler feiern Palo (Mi.) nach dem 1:1-Ausgleich. Zum Sieg und der Tabellenführung reichte es für HEBC aber nicht mehr. Foto: Olaf Both

Und eben auch den Spielverderber für den HEBC. „In der zweiten Halbzeit haben wir deren Spiel zumindest so eingedämmt, dass sie nur noch schlagen konnten. Wenn man die Torchancen sieht, hätte man das vielleicht noch gänzlich umbiegen können. Aber ich bin mit dem Unentschieden, so wie das Spiel lief, eigentlich ganz zufrieden“, bilanzierte Kocadal. „Man hätte vielleicht ein bisschen mehr Präsenz und Dominanz erwartet. Aber ich sehe uns mit TuRa auf Augenhöhe.“ Und obwohl die Krönung ausblieb, bietet sich am kommenden Samstag (13 Uhr) die neuerliche Chance auf den ganz großen Wurf. Ausgerechnet beim Serienmeister und Spitzenreiter aus Dassendorf im Top-Spiel. Diesmal könnte sich aber Altona 93 mit einem Sieg unter der Woche im „Nachholer“ bei Türkiye als Party-Bremse erweisen…

Autor: Dennis Kormanjos