„Die Truppe konnte bisher nicht richtig feiern – das werden wir jetzt ändern!“

Außenseiter HR zieht durch ein 2:1 gegen Altona ins Pokalfinale ein

01. Mai 2017, 19:11 Uhr

So sehen Finalisten aus: Die Spieler der SV Halstenbek-Rellingen feiern ihren Sieg gegen Altona. Foto: KBS-Picture

Die Überraschung ist perfekt: Nicht Favorit Altona 93, sondern die SV Halstenbek-Rellingen steht nach dem Halbfinal-Duell der beiden Mannschaften als erster Endspiel-Teilnehmer des diesjährigen ODDSET-Pokalfinales fest. Die Mannschaft von Trainer Heiko Barthel setzte sich gegen den AFC nach einem 0:1-Rückstand mit 2:1 durch, weil Jakob Sachs in der Schlussminute einen unglücklichen Querschläger produzierte und den Ball direkt vor die Füße des anschließenden Siegtorschützen Tim Jeske „klärte“. Damit ist HR zum dritten Mal nach 2005 und 2010 Finalist. Der Gegner wird im zweiten Halbfinale am Mittwoch zwischen Concordia und Eintracht Norderstedt ermittelt. 

Benjamin Brameier beeilte sich. Der „Sechser“ der SV Halstenbek-Relingen wusste genau, was Tim Jeske gleich blühen würde. „Bevor du der Presse was sagst, will ich mich wenigstens noch bei dir bedanken“, raunte der Brameier seinem Mitspieler zu, zog Jeske aus der Traube der Journalisten, die um ihn herumstanden und fiel ihm schließlich um den Hals. Der 28-Jährige, der die „Baumschuler“ am Saisonende in Richtung Wedeler TSV verlässt, war nach den 90 Pokalminuten eben der gefragteste Mann – nicht nur bei der Presse, sondern auch bei seinen Teamkollegen. Und das, weil er in jener 90. Minute den Weg dazu geebnet hatte, dass HR tatsächlich am 25. Mai im Stadion an der Hoheluft im Finale um den ODDSET-Pokal steht: Altonas Jakob Sachs wollte einen Angriff der Halstenbeker mit einem Klärungsversuch entschärfen, tat aber genau das Gegenteil und machte ihn so noch einmal richtig gefährlich. Denn Sachs' Abwehrversucht landete genau bei Tim Jeske, der mit dem Ball am Fuß einige Meter lief und die Kugel dann im Altonaer Tor versenkte.

Jeske: „Das war schon ein Geschenk von Sachs“

Der Anfang vom Altonaer Ende: HRs Tim Jeske (li.) holt nach Kakob Sachs' Fehler zu seinem Schuss aus, der letztlich das 2:1 bedeuten sollte. Foto: KBS-Picture

Kaum war das runde Leder im Netz eingeschlagen, entlud sich die Halstenbeker Anspannung. Coach Heiko Barthel startete von der Trainerbank aus einen Sprint in Richtung des Torschützen, wie ihn der HR-Übungsleiter zu seinen Zeiten als Spieler besser nicht hinbekommen hätte. In seinem Schlepptau hatte der Trainer die gesamte Belegschaft der Ersatzbank. Sie machten alle erst bei Jeske halt, wo Barthel den Blondschopf schließlich als Erster umarmte. Ausgerechnet Jeske hatte – das stand Augenblicke später nach dem Abpfiff von Schiedsrichter Florian Pötter (FC Voran Ohe) fest – soeben das Siegtor erzielt. Genau so, wie es Barthel von ihm vor der Partie verlangt hatte. Denn: Der Coach und Jeske hatten vor dem Anpfiff der Begegnung noch ein Gespräch unter vier Augen geführt, verriet Barthel später. Der Inhalt: Barthel hatte Jeske offenbart, dass es die Option gebe, ihn nicht für die Startformation zu berücksichtigen, aber auch die Überlegung, das Risiko einzugehen, mit Jeske einen Spieler aufzustellen, der nach hinten wenig macht. In letzterem Fall müsse Jeske aber, so Barthel, das entscheidende Tor des Spiels machen.

Gesagt, getan! „Das war schon ein Geschenk von Sachs. Er klärt den Ball direkt vor meine Füße. Allerdings muss man auch das Glück haben, da richtig zu stehen und den dann auch erstmal reinmachen“, erklärte Jeske nach dem Spiel mit Blick auf die 90. Minute und gab freimütig zu: „Wir sind als absoluter Außenseiter ins Spiel gegangen, haben dann aber wieder mal gezeigt, dass wir offenbar ein Pokal- und ein Liga-Gesicht haben. Ich freue mich tierisch für die Mannschaft, dass wir jetzt im Finale stehen. Es ist überragend, an der Hoheluft ein Endspiel zu absolvieren. Dafür arbeiten wir hart.“ Für das Endspiel wünsche er sich nun „lieber einen Oberligisten als einen Regionalligisten“, so der Mittelfeldspieler, der mit dem FC Elmshorn bereits in der Saison 2013/2014 im Finale stand, dieses dann aber gegen den SC Victoria verlor. „Letztlich ist es aber auch egal. Wenn man den Pokal gewinnen will, muss man den Gegner schlagen“, so Jeske, der bekannte: „Ich glaube, dass das heute kein schönes Spiel war.“

Ex-Halstenbeker Correia Ca bringt Altona in Führung

Altonas Dennis Thiessen (re., hier gegen Benjamin Brameier) kam über 90 Minuten überhaupt nicht richtig in Tritt. Foto: KBS-Picture

Eine treffende Einschätzung. Und das lag vor allem daran, dass der AFC nach seiner 1:0-Führung offenbar vergaß, dass es für ein Weiterkommen vielleicht ganz sinnvoll wäre, einen weiteren Treffer nachzulegen. „Altona macht ein Tor und keiner weiß, warum. Es war nicht so, dass man heute vorm AFC Angst haben musste. Was die hier gezeigt haben, hatte nicht viel mit Fußball zu tun. Das war ein verdienter Sieg für uns“, stieß auch Heiko Barthel nach dem Spiel ins gleiche Horn. Zunächst aber hatte der HR-Coach mit ansehen müssen, wie seine Mannschaft in Rückstand geriet: Nach einem Eckball von Nick Brisevac kam HR-Schlussmann Mirko Oest zwar aus seinem Tor, wehrte die Kugel aber nur halbherzig ab, sodass Eliezer Correia Ca das Spielgerät schließlich in der elften Minute zum 1:0 für die Gäste über die Linie schoss. Nach der frühen Führung aber kam von Altona wider Erwarten nicht mehr viel. Stattdessen füllte sich der Chancenzettel – abgesehen von Abdullah Yilmaz' Kopfball, den Sebastian Krabbes von der Linie kratzte (53.) – mit Gelegenheiten für HR.

Los ging's kurz vor der Pause mit einem Freistoß von Yannick Sottorf, den Torwart Joshua du Preez über die Latte lenkte (43.). Nach der anschließenden, kurz ausgeführten Ecke köpfte Brameier nach Sascha Richerts Hereingabe drüber (43.). Brameier war es auch, der dann drei Minuten nach dem Seitenwechsel nur die Latte des AFC-Tores traf (48.). Ins Tor gehen wollte der Ball erst 20 Minuten später: Christian Okafor steckte das runde Leder aus dem Mittelfeld auf Indrit Behrami durch. Der gerade erst eingewechselte HR-Akteur visierte mit seinem Schuss das lange Eck an. Der Ball prallte an den linken Pfosten, sprang von dort an den rechten und schließlich über die Linie, wo Ex-HR-Spieler Jan Novotny den Ausgleich auch nicht mehr verhindern konnte. Bei Okafors Versuch nach 81 Minuten konnte Sachs dann gerade noch klären. Der Rest ist bekannt.

Pfosten, Pfosten, drin: HR bei Behramis Ausgleich im Glück

Eine Beinlänge Vorsprung: Altonas Clifford Aniteye (re.) ist vor Christoan Okafor am Ball. Foto: KBS-Picture

„Seit ich hier bin, habe ich in diesem Verein nur zwei Extreme kennengelernt: Entweder, du bekommst auf die Fresse oder aber du erlebst Momente mit jeder Menge Adrenalin“, gab HR-Übungsleiter Barthel nach dem Match zu Protokoll und spielte auf die Situation an, „dass ich als Trainer mit den Jungs offenbar nur Pokal kann.“ Denn: Während die Barthel-Schützlinge nun mit dem AFC nach Dassendorf (1:0-Sieg im Viertelfinale) schon zum zweiten Mal in Folge gegen einen Favoriten für eine dicke Überraschung sorgten, kämpft der Verein in der Oberliga noch immer um den Klassenerhalt. „Es ist eigentlich nicht zu verstehen, dass man Dassendorf und Altona schlagen kann und trotzdem so tief im Abstiegsstrudel steckt. Ein Abstieg tut keine Not. Der Charakter einiger Spieler ist wohl etwas fragwürdig“, konstatierte Barthel.

Bei der Frage, nach seinem Wunschgegner für das Finale gab sich Barthel salomonisch. „Ich habe in der vergangenen Saison als Trainer mit Wedel im Viertelfinale gegen Concordia gewonnen und bin dann im Halbfinale gegen Norderstedt ausgeschieden. Es ist mir völlig egal, gegen wen von beiden wir spielen“, erklärte Barthel, der dafür in anderer Hinsicht eine klare Ansage machte: „Ich habe von einigen älteren Spielern gehört, dass die Truppe nicht so richtig feiern kann. Das werden wir ab heute ändern! Das Problem ist nur, dass wir am Mittwoch schon wieder ein Spiel haben (HR empfängt im Liga-Nachholspiel den SV Curslack-Neuengamme, Anm. d. Red.) – also müssen wir das in Maßen tun...“

Jan Knötzsch