Die Uhr stets im Blick

Hamburgs Traditionsplätze – Kreuzkirche / von Dirk Becker

31. Januar 2013, 14:58 Uhr

Einzigartige Stätten des Amateurfußballs – nachdem wir zuletzt den Professor-Reinmüller-Platz des HEBC und die Adolf-Jäger-Kampfbahn von Altona 93 unter die Lupe nahmen, gilt unser Augenmerk dieses Mal der Kreuzkirche des FC Teutonia 05. Gelegen an der Bleickenallee, Ecke Tönsfeldtstraße, in Ottensen ist die Anlage neben den Plätzen auf dem Heiligengeistfeld der älteste noch bestehende Fußballplatz der Stadt, wie das Fußball-Lexikon Hamburg (Die Werkstatt, Göttingen 2006) verrät. 1895 haben hier erstmalig Schuljungen und Straßenmannschaften Fußball gespielt, heißt es im regionalen Nachschlagewerk.

„Höchstwahrscheinlich ist der Platz sogar noch einen Tick älter“, sagt Kai-Hinrich Renner, Pressesprecher der ersten Herrenmannschaft von Teutonia 05, und verweist wiederum auf die Chronik von Altona 93, in der dargelegt ist, dass der AFC „zunächst auf einer Wiese an der Treskowallee (heute Bleickenallee)“, am Ball war. Renner: „Dabei kann es sich nur um den heutigen Platz an der Kreuzkirche gehandelt haben, der demnach von 1893 bis 1895 Heimstatt des AFC war, bevor er auf die Altonaer Exerzierweide zog. Einen anderen Fußballplatz hat es unseres Wissens an der Bleickenallee jedenfalls nicht gegeben.“ 1896 wurde der Platz zum Zuhause des FC Hammonia, dem Vorgängerverein des heutigen FC Teutonia 05, der die Anlage schließlich 1905 übernahm. Ab 1910 folgten Umzüge ebenfalls an die Exerzierweide und später auf den heute nicht mehr existierenden Platz am Hogenfeldweg in Bahrenfeld, ehe man in den 1930er-Jahren an die Kreuzkirche zurückkehrte.

Knapp 120 Jahre hat das Sportareal in Ottensen demnach auf dem Buckel. Gerade einmal 20 Lenze zählt Paul Hannemann und doch ist er dem Club mit seiner charmanten Anlage seit jeher verbunden. Im Alter von acht Jahren trat er dem Verein als Spieler bei, durchlief alle Jugendteams und ist heute für das dritte Herrenteam sowie als Schiedsrichter aktiv. „Mein erster und einziger Verein“, konstatiert er stolz. Seit 2004 ist der heutige Student als Juniorentrainer im Verein engagiert. Zunächst als Co-Trainer, seit 2008 als alleiniger Coach der aktuellen A-Jugend, mit der derzeit um den Aufstieg in die Landesliga spielt. „Der Platz liegt mitten in einem der dichtesten besiedelten Stadtteile Hamburgs und schafft es so, vielen Menschen die Möglichkeit zu geben, ihrer Leidenschaft des Fußballs spielen nachzugehen. Besonders, wenn die Bäume rund um das Spielfeld blühen, ist der Platz von grünen Pflanzen eingerahmt – dann sieht es einfach großartig aus! Und außerdem ist unser Platz vermutlich auch der einzige, wo man jederzeit eine Uhr im Blick hat – nämlich die der Kreuzkirche! Wo gibt es so etwas schon? Auch die Schiedsrichter freuen sich oft über den zuverlässigen Zeitmesser, wenn sie mal selbst eine Uhr vergessen haben. Und das kam schon öfter vor, als man denken mag“, umreist Hannemann, der seit 2011 auch Übungsleiter des 2000er Jahrganges ist und zudem die Position des Jugendleiters inne hat, seine Begeisterung.

„Im Zustand der sportlichen Unschuld geblieben“

An der Kreuzkirche geht es traditionell zur Sache. Foto: KBS-Picture.de

Von einzigartigen Merkmalen weiß auch Renner zu berichten: „Der von Baumreihen gesäumte Platz ist grün, aber eben auch urban, weil er von Stadthäusern – an der Ostseite zur Tönsfeldtstraße hin von besonders reizvollen neoklassizistischen Altbauten aus der Gründerzeit – umgeben ist. Die Zuschauer stehen so nah am Spielfeld wie nur auf wenigen anderen Hamburger Plätzen. Besonders unangenehm für den gegnerischen Torwart ist es, dass er auf der Nordseite nur von einem dünnen Zaun von den Teutonia-Fans getrennt wird, der direkt an das Netz seines Gehäuses anschließt, welches an ihm auch befestigt ist. Die Zuschauer sitzen und stehen also buchstäblich im Nacken des gegnerischen Keepers.“

In Bezug auf die Atmosphäre brachte Gerhard Seehase im Februar 1982 im Hamburger Abendblatt eine Formulierung zu Papier, welche auch heute noch zutreffend ist. „Fußball an der Kreuzkirche ist, welche Mannschaft hier auch immer gerade spielt, im Zustand der sportlichen Unschuld geblieben. Hier ist jeder hautnah dabei, wenn einem die Bälle sogar noch hinter der Barriere um die Ohren fliegen. Hier darf man jubeln und fluchen (…).“In die gleiche Kerbe schlägt Karl-Heinz Meincke, der als renommierter Sportfotograf (KBS-Picture.de) viel herum kommt auf Hamburgs Sportanlagen. „Der kleine Grandplatz ist unberechenbar für viele Mannschaften. Und nicht zuletzt sind da die treuen Zuschauer und Anhänger“, erzählt der 57-Jährige. Mit einem Lächeln im Gesicht moniert er allerdings: „Ich habe hier viele Strafmandate kassiert und bin sogar abgeschleppt worden. Es gibt einfach keine Parkplätze rundherum.“

„Wir brauchen Kunstrasen!“

Denkwürdige Spiele hat es an der Kreuzkirche in der Vergangenheit zuhauf gegeben. So zog die Partie gegen den SC Sperber am 16. Juni 1946 (1:2), als es um den Aufstieg in die Hamburg-Liga ging, sage und schreibe 6000 Zuschauer an. Es musste gar extra eine Strahltribüne errichtet werden. Das Aufeinandertreffen mit Altona 93 in der Saison 1949/50, mittlerweile hatte man den Sprung in der Hamburg-Liga geschafft, stellt ein weiteres Highlight in der Vereinshistorie dar. Rund 4000 Zuschauer verfolgten die 1:4-Niederlage der Teutonen. Den bislang letzten großen Ansturm gab es am 23. Februar 1992, als Bergedorf 85 im Pokal an der Kreuzkirche gastierte. Mehr als 800 Zuschauer sahen ein 0:3.

Von den großen Momenten vergangener Tage zu den Anforderungen der Gegenwart. Seit einiger Zeit werden bei Teutonia 05 die Pläne zur Umwandlung des Grandbelages hin zu einem Kunstrasenplatz vorangetrieben. Renner: „Wir stehen in viel versprechenden Gesprächen mit dem Sportamt Altona. Entschieden ist allerdings noch gar nichts. Fest steht nur: Als kleiner Verein können wir den Bau eines Kunstrasenplatzes – Kostenpunkt etwa 400.000 Euro – nicht alleine stemmen. Wir sind dabei ganz wesentlich auf finanzielle Hilfe des Bezirks angewiesen.“

Die Vorteile des künstlichen Geläufs, das sich in den vergangenen Jahren in Hamburg Fußballszene nachhaltig bewährt hat, sind offensichtlich. Bessere Auslastung und geringeres Verletzungsrisiko sind nur zwei ausgewählte Punkte. Fast schon werbereif bringt es Hannemann abschließend auf den Punkt: „Wir brauchen Kunstrasen, weil unser Grandplatz den 550 Mitgliedern nicht mehr gewachsen ist. Wir brauchen Kunstrasen, weil die Nachbarn auch bei trockenem Wetter problemlos ihre Fenster öffnen sollen, ohne von Staubwehen eingedeckt zu werden. Wir brauchen Kunstrasen, um auch während der Winterzeit zuverlässiges Training ausüben zu können, und nicht zuverlässig über zwei bis drei Monate Training abzusagen. Und wir wollen Kunstrasen, um technisch richtig sauberen Fußball spielen zu können, ohne auf die Löcher, Hubbel und Unebenheiten Rücksicht nehmen zu müssen. Und Ottensen braucht einen Kunstrasenplatz bei Teutonia als Integrationspunkt.“