„Ich bin froh, dass ich für diesen Verein spielen darf“

Norderstedts Jan Lüneburg – Vom Fast-Karriere-Aus zum Regio-Überflieger!

16. April 2015, 06:47 Uhr

Fünf Minuten waren noch auf der Uhr, als Jan Lüneburg beim Stand von 1:1 gegen Schlusslicht FT Braunschweig ein Pfund auspackte und damit den 2:1-Siegtreffer markierte. Foto: KBS-Picture.de

Dass es im Leben wichtigere Dinge als den Fußball gibt, weiß Jan Lüneburg nur zu Genüge. Im Oktober 2009 ereilte ihn ein „Schicksalsschlag“, als er bei einem Autounfall schwer verletzt wurde. „Der Fußball gerät da komplett in den Hintergrund. Ich habe immer versucht, das Positive daraus zu ziehen, denn es hätte auch anders ausgehen können. Ich bin froh, dass ich da lebend raus gekommen bin“, sagt der Angreifer des Regionalligisten Eintracht Norderstedt rund fünfeinhalb Jahre danach. Damals zog er sich unter anderem einen Kreuzbandriss zu, der den Fortlauf seiner Laufbahn in der Schwebe hängen ließ. Mittlerweile hat sich der Torjäger zu einem Top-Stürmer in der vierthöchsten deutschen Spielklasse entwickelt und ist für die Eintracht fast unverzichtbar geworden.

Als frisch gebackener „Fußballer des Jahres“ wechselte Lüneburg im Sommer 2013 vom Meister aus Elmshorn zur Eintracht. Ein Transfer, der wohl nur zustande kam, da die „Krückaustädter“ ihre Regionalliga-Meldung aufgrund von Stadion-Problemen und finanzieller Engpässe zurückzogen, weshalb Norderstedt als damaliger Tabellenvierter des Hamburger Oberhauses und als einziges Team, das neben Elmshorn für die Regio meldete, den Aufstieg über die Relegationsrunde klar machte. „Am Anfang war es nicht einfach, da die Erwartungen recht groß waren. Wir haben in der Saison mit Elmshorn fast alles erreicht, ich bin mit 24 Toren Torschützenkönig geworden und zum Fußballer des Jahres gewählt worden. Die Regionalliga ist aber etwas komplett anderes, ein himmelweiter Unterschied zur Oberliga, da muss man sich neu beweisen – zudem ist der Druck deutlich größer.“ Der Start war gleich verheißungsvoll: in seinem ersten Heimspiel für die Garstedter erzielte Lüneburg beim 2:2 gegen Cloppenburg einen Doppelpack! Doch der 24-Jährige lieferte sich mit „Altstar“ Jürgen Tunjic und „Rookie“ Jan-Marc Schneider immer wieder einen harten Kampf um den Platz in der Sturmspitze. „Ich bin immer ruhig geblieben, habe hart an mir gearbeitet und an mich geglaubt.“ Mit insgesamt zehn Saisontoren war Lüneburg nicht nur Norderstedts bester Schütze am Ende der Saison, sondern trug damit auch einen maßgeblichen Teil dazu bei, dass man als Tabellenzehnter souverän die Klasse gehalten hat.

„Haben einen unglaublich ausgeglichen besetzten Kader“

... dementsprechend groß waren Jubel und Erleichterung beim Torschützen. Foto: KBS-Picture.de

Nach einem halben Jahr in der neuen Spielklasse habe man sich akklimatisiert, wie der ehemalige Jugendspieler des FC St. Pauli meint. „Die Rückrunde der vergangenen Saison war bereits richtig stark.“ Unter anderem, weil die im Winter 2014 getätigten Neuverstärkungen voll einschlugen. „Mit Deran Toksöz ist ein Spieler mit Drittliga-Erfahrung dazu gekommen. Mittlerweile ist der Kader unglaublich ausgeglichen besetzt. Langzeitverletzte Leistungsträger wie Björn Nadler oder Marco Schultz können gut ersetzt werden. Die Qualität ist top und auch die Harmonie innerhalb des Teams stimmt.“ Allein schon aufgrund seiner Einstellung zum Fußball ist Lüneburg für die Eintracht ein absoluter Gewinn. „Ich weiß, dass ich nicht der beste ‚Fussi‘ bin und dass es begabtere Jungs gibt. Ich komme vielmehr über meine Einstellung und meinen Einsatz für die Mannschaft. Für mich ist es eine Ehre, dass ich für diesen Verein spielen darf!“ Auch der schwere Autounfall konnte ihn nicht auf seinem Weg zu einem etablierten Viertliga-Kicker aufhalten. „Mir war zwar nie klar, dass ich es schaffen würde, aber ich habe es mir zugetraut, eines Tages in der Regionalliga zu spielen. Für dieses Ziel habe ich immer Gas gegeben.“

„Der Trainer hatte seine Gründe“

Im allgemeinhin als schwieriger geltenden zweiten Jahr trumpft die Elf von Chefcoach Thomas Seeliger bislang ganz groß auf und rangiert als Achter nur sieben Punkte hinter dem Tabellendritten, der U23 vom HSV. Dem Winter-Meister ist man auf die Pelle gerückt, auch, weil Lüneburg sich mittlerweile zu einem unverzichtbaren Puzzleteil im Konstrukt von EN entwickelt hat. Dabei gab es zu Saisonbeginn erneut Hindernisse zu überwinden, denn Lüneburg wurde mit Sinisa Veselinovic (kam aus Siegen) ein neuer Stürmer vor die Brust gesetzt, der zu seinem Pech in der Sommer-Vorbereitung auch noch nach Belieben traf und bei Seeliger einen bleibenden Eindruck hinterließ. Veselinovic war die neue Nummer eins im Sturm. Nach einem Treffer im ersten Saisonspiel blieb der gebürtige Hamburger allerdings in zwölf Partien am Stück torlos, was Lüneburg die Chance ermöglichte, sich ins erste Glied zurück zu kämpfen. Dies tat er dann auch mit Bravour – während sich Veselinovic im Winter dem West-Ligisten SV Rödingshausen anschloss. „Der Trainer hatte seine Gründe dafür, warum er ‚Sini‘ bevorzugt hat. Er hat in ihm etwas gesehen, womit er dem Team weiterhelfen kann. Ich habe auf meine Chance hin gearbeitet. Dass Sini uns im Winter verlässt, war auch nicht in meinem Sinne. Denn wir kennen uns schon lange und haben bereits in der Hamburger Auswahl zusammengespielt“, erklärt Lüneburg, der inzwischen bereits neun Buden vorweisen kann und erneut eine zweistellige Ausbeute anstrebt. „Das sollte in den restlichen Spielern hoffentlich gelingen.“

„Ein Spiel im DFB-Pokal wäre ein großes Ziel von mir“

Ein doppelter Nasenbeinbruch zwang Jan Lüneburg im Heimspiel gegen Eintracht Braunschweig II (1:1) zum Tragen einer Schutzmaske. Foto: KBS-Picture.de

Die aktuelle Tabellenkonstellation weckt Lüneburgs Ehrgeiz, die bislang schon famose Runde zu vergolden. „Ich glaube, dass ich für alle spreche. Vor der Saison hätten wohl alle blind unterschrieben, wenn uns einer gesagt hätte, dass wir Achter oder Neunter werden. An einem guten Tag können wir in dieser Liga aber jeden Gegner schlagen! Jetzt, wo alles so eng beisammen ist, wollen wir am Ende nicht Neunter werden. Wir haben es in eigener Hand und werden alles investieren. Ein Platz unter den Top fünf wäre natürlich super!“ Einen großen sportlichen Traum verfolgt der 1,84 Meter große Sturmtank aber noch: ein Spiel im DFB-Pokal. „Der Sieg im Oddset-Pokal wäre schon noch ein großes Ziel von mir. Leider hat es in diesem Jahr erneut nicht geklappt. Aber ich glaube, dass es nicht arrogant ist, wenn ich sage, dass wir auch im kommenden Jahr wieder als Top-Favorit ins Rennen gehen. Allerdings darf die Liga nicht darunter leiden.“

In der kommenden Ausgabe gibt es Teil zwei, wo Jan Lüneburg über seine Zeit und das Ende in Elmshorn, das „arrogante Image“ der Eintracht sowie über mögliche Drittliga-Ambitionen spricht.