Kurzes Sensationspotenzial – doch dann kommt „NB23“!

„Dann spielen die mit dir TikiTaka und du siehst ganz alt aus"

05. Oktober 2016, 01:07 Uhr

Altonas Nick Brisevac (l.) ließ sich nicht bremsen. Foto: Genat/wogebild.de

Der Start ins große Pokalduell verlief aus Sicht des krassen Underdogs mehr als nur verheißungsvoll: keine 120 Sekunden waren gespielt, als Eintracht Lokstedt den „dicken Fisch“, Altona 93, auf dem völlig falschen Fuß erwischte. Sollte die Sensation in der vierten Runde des ODDSET-Pokals tatsächlich im Bereich des Möglichen sein? Um es vorweg zu nehmen: ein gewisser Nick Brisevac hatte etwas dagegen! Der „Feingeist“ im AFC-Spiel erzielte noch vor der Pause einen lupenreinen Hattrick, markierte nach einer guten Stunde Tor Nummer vier und bekam dann seinen verdienten Abgang.

„Das ist jetzt kein Herumgerede, sondern ehrlich gemeint: in jeder Liga – auch in der Kreisliga oder Kreisklasse – gibt es Spieler, die für zwei oder drei Antritte brutale Kraft und Geschwindigkeit haben. Da kann so etwas immer mal passieren“, erklärte AFC-Coach Berkan Algan den Blitz-Schock, der seine Elf traf. „Das war ein extrem gut gespielter Ball hinter die Kette und ein insgesamt sehr guter Angriff. Ein Kompliment an den Gegner!“ Anerkennende Worte vom „Altona-Dompteur“, der gerade erst auf der Trainerbank Platz nahm, als Sören Gehlhaar einen Zuckerball über die Abwehr des Favoriten hinweg spielte. Auf dem linken Flügel machte sich Jan-Erik Schydel auf und davon, legte scharf quer – und sah Lokstedts Neuzugang Tamino Kunter, der eiskalt ins linke untere Eck vollendete (2.). Ein Spielzug wie aus dem Lehrbuch! „Der 18-Jährige sagt sich: Wer ist Grubba, ist mir egal – und haut den Ball einfach rein“, fasste EL-Coach Heiko Klemme mit einem Augenzwinkern zusammen. Der Nachname des Torschützen dürfte auch den Altonaer Anhängern geläufig sein, schließlich spielt Taminos Bruder, Pablo Kunter, seit dieser Saison an der AJK. In der Jugend besuchte das Duo gemeinsam das Internat des HSV, ehe Tamino über die A-Jugend des SC Victoria erst vor kurzem den Weg an die Döhrntwiete fand.

Zwei Tore mit zwei Fragezeichen

Clifford Aniteye (r.) spürt im Kampf um den Ball harte Gegenwehr. Foto: Genat/wogebild.de

Eine überraschende Führung des „Davids“, die der „Goliath“ nicht auf sich sitzen lassen wollte. Vor allem ein Akteur: Nick Brisevac. Erst verwandelte die Nummer 23 des AFC einen von Ihsan Azizmahmutogullari an Braima Baldé verursachten Elfmeter in den rechten Knick (12.), ehe er einen Freistoß aus 20 Metern zentraler Position in den linken Giebel platzierte (19.). Spiel gedreht! Doch beiden Toren gingen enge Entscheidungen des ansonsten gut leitenden Luca Jürgensen (E. Norderstedt) voraus: beim Strafstoß soll Baldé – nach Ansicht einiger Zuschauer im Abseits gestanden haben – und Lokstedts Azizmahmutogullari traf bei seinem Tackling auch den Ball. Den Freistoß vor dem 1:2 aus Eintracht-Sicht, wo erneut Azizmahmutogullari gegen Max Stolzenburg der „Übeltäter“ gewesen sein soll, pfeift ebenfalls nicht jeder Referee. Zum Ausgleichstreffer sagte Klemme: „Schade, wenn es denn so war. Aber ich habe meinem Spieler noch gesagt, er soll aufhören, in so einer Situation zu grätschen, weil der Gegner gedoppelt wurde und mit dem Rücken zum Tor stand.“ Seine Einschätzung zum Zustandekommen vor dem 1:2: „Mein Spieler muss drei Sekunden vorher ein Foul an sich gepfiffen bekommen. Der Freistoß, der zu dem Tor führt, war in meinen Augen auch keiner.“

Brisevac-Gala und Torregen nach der Pause

Foto: Genat/wogebild.de

Wie dem auch sei: Pech für den Nord-Bezirksligisten, aber schlussendlich sollten die Entscheidungen nicht das Spiel entscheiden. Versteckt haben sich die Klemme-Kicker aber auch in der Folge nicht. Nach Ersin Cavus‘ Hereingabe von links hatte Alexander Gäde sogar das 2:2 auf dem Fuß, als den Ball zwar nicht voll traf, damit aber wohl Tobias Grubba so irritierte, dass ihm der Ball durch die Hosenträger und nur knapp am langen Eck vorbei hoppelte (26.). Es folgte der in Klemmes Augen entscheidende Knockout für sein Team mit dem Pausenpfiff: erneut war es der agile Stolzenburg, der den überragenden Brisevac in Aktion brachte. Dieser machte per Linksschuss zum 3:1-Pausenstand seinen lupenreinen Hattrick perfekt (44.)! „Für mich war das der entscheidende Stich. Gehen wir mit einem 1:2 in die Halbzeit, bringe ich die Hütte hier nochmal zum Beben. Stattdessen musst du gucken, dass du die Leute bei Laune hältst“, so Klemme.

Wie schwer dies war, zeigten die zweiten 45 Minuten, als Altona den Ball toll durch die eigenen Reihen laufen ließ – und ein Nick Brisevac noch immer nicht genug hatte. Erst bediente er Stolzenburg, der aus 18 Metern ins lange Eck schlenzte – 4:1 AFC (47.). Dem wollte der ehemalige Oberhausener in Nichts nachstehen und streichelte die Kugel vom linken Strafraumeck haargenau in den rechten Winkel. 5:1 (61.)! Es war die letzte Aktion – und was für eine – des 23-jährigen „23er“, der daraufhin seinen verdienten Abgang bekam. In der Schlussphase schraubten Chris Pfeifer, nach Stolzenburg-Querpass (64.), der eingewechselte Jakob Drinkuth, „doppelpasste“ sich gleich mehrfach mit Vincent Aretz durch die Lokstedter Defensive (72.), und der ebenfalls in die Partie gekommene Marco Schiavone, wurde nach tollem Sachs-Pass von Drinkuth uneigennützig freigespielt (74.), das Ergebnis auf 8:1 für den Favoriten in die Höhe!

„Alles ab Bezirksliga aufwärts ist sehr schwer zu bespielen“

Nach dem Spiel war das Feiern mit den Fans angesagt. Foto: DK

„Natürlich ist es ein bisschen zu hoch. Mein Traum war es, unter Fünf zu bleiben. Aber dann verlässt einen der Mut, Konzentration und Kräfte schwinden, Zugriff und Motivation, nicht mehr jeden Schritt mitzugehen, lassen ebenfalls nach. Dann fangen die an, TikiTaka mit dir zu spielen – und dann siehst du auch so alt aus“, lautete Klemmes präzises Fazit. „Fakt ist, dass wir es erste Halbzeit ganz ordentlich gemacht haben. Dass wir hier auf dem Zettel schon keine Chance haben, war bereits vorher klar. Die Führung war für uns wie ein Bonbon! Aber dann versaust du es dir selbst ein wenig durch individuelle Fehler“, befand Klemme, dessen abschließende Ansage dem Gegner eigentlich den ganz großen Wurf an der Hoheluft bescheren müsste: „Glückwunsch an Altona, die werden jetzt auch Pokalsieger, denn letztes Jahr hat Norderstedt hier gewonnen und das Ergebnis ist bekannt.“ Apropos Altona: Chefcoach Algan zeigte sich hinterher sehr einverstanden mit dem Auftreten seiner Mannen: „Wir haben den Ball gut laufen lassen und konnten die jungen Talente ein bisschen in die Vitrine stellen, was uns sehr wichtig ist, weil wir sie hierher geholt haben, um sie auszubilden. Deshalb war es ein gutes und wichtiges Spiel für diese Jungs“, so Algan, der abschließend anfügte: „Wir hatten von Anfang an eine relativ gute Spannung. Man darf das nicht unterschätzen: alles ab Bezirksliga aufwärts ist sehr schwer zu bespielen. Da laufen viele Spieler rum, die mal höher gekickt haben und in so einer Begegnung die doppelte Luft haben.“