Eintracht Fuhlsbüttel

Mewes: „Das war für ein Hochsicherheitsgefängnis damals einmalig“

10. Dezember 2020, 10:39 Uhr

37 Jahre lang war Gerhard Mewes Trainer von Eintracht Fuhlsbüttel - nun hat er sein zweites Buch auf den Markt gebracht: „Lebenslänglich – Biografie eines Mörders“. Foto: KBS-Picture.de

Er habe Schwierigkeiten gehabt, die unzähligen Begegnungen zu Papier zu bringen – und so hat Gerhard Mewes nach seinem Erstwerk „Fair Play mit Mördern: Die Knastkicker von Santa Fu sind Diebe, Dealer, Mörder“(HIER mehr dazu) nun sein zweites Buch auf den Markt gebracht. In „Lebenslänglich – Biografie eines Mörders“ berichtet er über eine ganz besondere Erfahrung. Denn: Mewes war 37 Jahre lang Trainer von Eintracht Fuhlsbüttel, besser bekannt als „die Knastkicker von Santa-Fu“.

Vom Stacheldraht umzingelt – die Spielstätte von Eintracht Fuhlsbüttel. Archivfoto: HFV

Im Jahr 1980 begann die ganz besondere und im wahrsten Sinne einzigartige Reise des Gerhard Mewes. „Ich wurde vom damaligen Verbandssportlehrer gebeten, diese Aufgabe – nach Anfrage der Gefängnisleitung – zu übernehmen“, erzählt Mewes im „Hamburg1“-Talkformat „Nachgefragt“ – und führt aus: „Es gab keinen Plan, kein vergleichbares Beispiel, weil es das nirgendwo anders gab – es gab gar nichts. Für mich war das eine Herausforderung.“ 


Er habe sich das damals „schön geredet und geglaubt, ich komme hinter Mauern in einen Sicherheitsbereich, wo ich ständig von Beamten begleitet werde“, verrät er. Doch dem war nicht so. „Deswegen musste ich mich sozusagen selbst entwickeln, einen Roten Faden finden und mir Ziele setzen.“ Dabei war er jedoch auf sich allein gestellt. „Mir konnte natürlich keiner helfen, weil es keine Erfahrungswerte gab und in keinem anderen Bundesland ein ähnliches Projekt gegeben hat.“ Für ihn sei es „eine sehr schwierige, aber auch erfahrungsreiche Zeit“ gewesen, erinnert er sich an die Anfänge.

"Ich musste mich freischwimmen"

Zudem habe er sich stellen und auch davon ausgehen müssen, Fehler zu machen im Umgang mit diesen Menschen, so Mewes bei „Hamburg1“. Dadurch habe er aber auch sich selbst besser kennenlernen können. Und so kamen zu Beginn häufiger die Fragen auf: „Was kann ich aushalten? Wie gehe ich damit um? Habe ich Vorurteile?“ Und so musste sich der heute 77-Jährige mit der Zeit freischwimmen, habe sich in all den Jahren aber auch „viele Schicksale zu Herzen genommen, ohne davon jedoch privat oder persönlich etwas nachteilig behalten zu haben“. Er sei „Fußballer durch und durch“, so Mewes, der aufgrund seiner Verdienste sogar mit der DFB-Ehrenurkunde für Integration ausgezeichnet wurde.

"Viele Spieler hatten Bammel, überhaupt anzutreten"

Bis 2017 coachte Mewes die "Knastkicker von Santa-Fu". Archivfoto: HFV

Eine weitere Besonderheit: Aufgrund der Umstände absolviert Eintracht Fuhlsbüttel ausschließlich Heimspiele – mit einer Ausnahme: „In der Anfangszeit, als die Gefangenen noch Urlaub zu beanspruchen hatten, was für ein Hochsicherheitsgefängnis damals einmalig war, konnte ich eine Mannschaft zusammenstellen, die ein Punktspiel auswärts bestreiten konnte.“ Ansonsten reisen die Gegner Woche für Woche in die JVA Hamburg-Fuhlsbüttel. „Viele der Spieler haben von vornherein Bammel gehabt, überhaupt anzutreten. Es gab auch gegnerische Trainer, die mir übermittelt haben, dass sie nicht mit der vollständigen Mannschaft spielen können, weil die Furcht offenbar so groß war, dass sie gar nicht erst ins Gefängnis kommen wollten“, verrät Mewes bei „Hamburg1“. 


Umso größer war die Überraschung und anschließende Erkenntnis derer, die den Gang tatsächlich angetreten haben: „Hinterher klang es dann ganz anders. Es gab viele Spieler, die den Kopf geschüttelt haben, dass eine Mannschaft, die aus Schwerverbrechern besteht, ein solches Fairplay an den Tag legt und solch einen fairen Fußball spielt, wie sie es manchmal nicht mal Zuhause gewohnt waren.“