Landesliga Hammonia

Vier Tore, ein Assist: „Heute war er nicht Mathys Tel, sondern Harry Kane!“

18. November 2023, 02:37 Uhr

Kollektiver Jubel bei BU und ein schelmisches Augenzwinkern vom alles überragenden Jeremy Jungkurth (re.). Foto: noveski.com

Gegen den FK Nikola Tesla betrat er den Platz vor einigen Wochen zur zweiten Halbzeit und brachte den letztlich souveränen 4:0-Sieg seines HSV Barmbek-Uhlenhorst mit einem schnellen Doppelpack auf den Weg. Damals bezeichnete sein Trainer Michael Koss den eingewechselten Jeremy Jungkurth in Anlehnung an den Edel-Joker des FC Bayern München als „Mathys Tel von BU“. Im Heimspiel gegen TBS Pinneberg (alle Highlights im LIVE-Ticker) durfte Jungkurth von Beginn an ran – und gab mal wieder die richtige Antwort: „Heute war er nicht Mathys Tel, sondern Harry Kane“, witzelte Koss über seinen Starter, der den Gästen fast im Alleingang die Leviten las.

Das 1:0 für den HSV Barmbek-Uhlenhorst: Daniel Diaz Alvarez (li.) kommt gegen Jeremy Jungkurth, der keine Mühe mehr hat, das Runde ins Eckige zu befördern, einen Schritt zu spät. Foto: noveski.com

„Jerry, wie viel Luft haste noch?“, fragte Koss seinen Angreifer nach einer guten Stunde. Die Antwort von Jeremy Jungkurth ließ nicht lange auf sich warten: „Viel!“, entgegnete er mit einem Schmunzeln – und krönte seine famose Vorstellung nach einer herrlichen Stafette über Jonas Wesemann und Sebastian Emmert mit seinem sage und schreibe vierten Torerfolg zum 5:1 für die Hausherren (76.). „Für uns war das eine ganz bewusste Entscheidung und auch ein ‚Learning‘ aus dem Hinspiel, weil ‚Jerry‘ schnell ist und Pinneberg die Meter nach hinten nicht ganz so einfach fallen“, sprach Koss auf seine taktische Variante an, den eigentlichen „Flügelflitzer“ in die Sturmspitze zu beordern. „Wenn du immer wieder die Schnittstellen anspielst, dann ist das ein Spiel, das wie für ihn gemacht war.“

Lupenreiner Hattrick in 23 Minuten

Während TBS-Torsteher Todd Tuffour (li.) komplett konsterniert drein blickt, bricht Jungkurth in seinen ersten Torjubel an diesem Freitagabend aus. Foto: noveski.com

Keine 23 Zeigerumdrehungen waren an der Dieselstraße vorüber, als Jungkurth den so ambitionierten, aber in der Rückwärtsbewegung abenteuerlich, haarsträubend und ohne jeglichen Zugriff agierenden Gästen den Garaus machte – und obendrein bereits einen lupenreinen Hattrick zu verzeichnen hatte! Den Anfang machte der 22-Jährige nach einer Halbfeld-Flanke von Loukianos Kattides und einem uneigennützigen Wesemann-Zuspiel (6.). Es folgte ein Angriff über Emmert und Wesemann, der mit seiner Hereingabe von rechts den zwischen Mark Hinze und Yasir Zaman lauernden Jungkurth fand – 2:0 (16.). Und schließlich standen zehn Pinneberger Spalier, als Finn Hanke im Zentrum alle Zeit der Welt und Jungkurth – trotz massiver TBS-Überzahl – nach dem Steckpass freie Fahrt hatte – 3:0 (23.)!

"Wenn es nach hinten geht, haben die Jungs wenig Lust"

Während Yasir Zaman (hi., verdeckt) nichts Besseres zu tun hat, als den Arm zu heben und stehen zu bleiben, schießt Jungkurth trocken zum 2:0 ein. Foto: noveski.com

Das Pinneberger Debakel vollendete Kattides – natürlich nach einem Jungkurth-Zuspiel – zum 4:0 nach gerade einmal 27 gespielten Minuten. „Wir sterben in Schönheit – das ist leider das Problem. Nach vorne spielen, das bringt Spaß. Aber wenn es nach hinten geht, haben die Jungs wenig Lust. Das ist das, was uns immer wieder das Genick bricht“, fand TBS-Trainer Erkan Sancak deutliche Worte – und brachte das Dilemma auf den Punkt. „In der ersten Halbzeit haben wir in der 30. Minute den ersten Zweikampf geführt. Es ist einfach traurig, dass die Jungs nicht merken, dass es viel einfacher wäre, wenn alle mit nach hinten arbeiten würden. Wir machen uns das Leben immer selbst schwer“, haderte der Kilinc-Nachfolger.

"Wenn du bei einer solchen Mannschaft schon drei Tore schießt..."

Nach Steckpass von Finn Hanke schnürt Jungkurth (li.) gegen abermals nur zuschauende Pinneberger den lupenreinen Hattrick. Foto: noveski.com

Auf die vier Buden und eine Vorlage vom überragenden Jungkurth hatte TBS im zweiten Abschnitt die viel zu späten Antworten per Standards. Onur Saglam per 17-Meter-Freistoß (64.) und nach einer kurz ausgeführten Ecke, bei der er Rick Hess im BU-Kasten mit seiner Flanke ganz schlecht aussehen ließ (82.), sowie der ehemalige Barmbeker Adrian Sousa mit einem von Niklas Müller-Leitloff an ihn selbst verursachten Foulelfmeter (87.) betrieben am Ende Ergebniskosmetik. Und auf einmal kamen die Gäste noch einmal auf – aber zu spät. „Wenn du bei einer Mannschaft wie BU, die bisher nur 16 Gegentore kassiert hat, schon drei Tore schießt, dann darfst du keine fünf Gegentore kriegen“, resümierte Sancak – und fügte an: „Wir sterben in Schönheit und arbeiten nicht nach hinten. Das ist einfach zu wenig.“

Loukianos Kattides (Mi.) bejubelt sein Tor zum 4:0. Jeremy Jungkurth (re.) setzt zu Freudensprüngen an. Foto: noveski.com

Auf Nachfrage, ob es unmöglich sei, die vielen höherklassig erfahrenen Spieler zum Arbeiten zu bewegen, erwiderte er: „Unmöglich ist es nicht, aber viel Arbeit. Das ist schon ziemlich eingefahren und festgefahren. Das muss man langsam gelöst bekommen. Ich hoffe, dass wir bis zur Winterpause noch so viele Punkte wie möglich mitnehmen können, so dass man dann alles reseten kann.“ Es sei „nach wie vor die richtige Entscheidung“ gewesen, als Trainer an der Müßentwiete anzuheuern. „Ich wollte auch mal mit solchen Spielern zusammenarbeiten. Aber wir müssen jetzt noch viel mehr arbeiten als ohnehin schon.“

"Das ist menschlich, wenn man mit einem 4:0 in die Halbzeit geht"

Sein viertes Tor zum zwischenzeitlichen 5:1: Erneut veredelte Jeremy Jungkurth (li.) eine super Stafette - sämtliche Pinneberger kommen deutlich zu spät. Foto: noveski.com

Unterdessen hat sich BU an die „Top Drei“ der Hammonia-Staffel herangeschoben. „Es war ein wilder Ritt. Für uns ungewöhnlich und auch für mich im Nachgang schwer greifbar, weil das in der zweiten Halbzeit nicht das war, was uns die letzten Wochen ausgemacht hat. Aber das ist vielleicht auch irgendwo menschlich, wenn man mit einem 4:0 in die Halbzeit geht. Deshalb lassen wir die Kirche mal im Dorf“, hatte Koss einen solchen Ritt schon fast erwartet, „weil es bei TBS in den letzten Wochen gefühlt immer der Fall war“, wie er erklärte. „Was man sieht: Wenn man denen in gefährlichen Zonen ein bisschen zu viel Raum gibt, dann haben die Leute, die Fußball spielen können. Aber es darf nicht passieren, wenn du 4:0 führst, dass du dich dann ein Stück weit einlullen lässt und Angst hast, einen Treffer zu kassieren.“

Zumal man in den ersten 45 Minuten gesehen habe, „dass die extreme Probleme mit dem Umschalten hatten“, so Koss, der sich schlussendlich „sehr happy“ zeigte – denn: „Wir haben zwei Punkte mehr geholt als in der Hinserie – und wir wollen besser werden als in der Hinrunde. Da sind wir auf einem guten Weg und ich glaube, dass die Jungs mittlerweile einen guten Punch haben. Und sie haben gegen eine Mannschaft, die über eine hohe individuelle Qualität verfügt und mit Sicherheit noch den einen oder anderen Punkt holen wird, mit 5:3 gewonnen.“

"Hätte der Mannschaft nicht geholfen, wenn ich den Rumpelstilzchen gemacht hätte"

Der einstige Barmbeker Torjäger Adrian Sousa (li.) hatte einen schweren Stand, holte kurz vor Schluss gegen Niklas Müller-Leitloff einen Elfer raus - und verwandelte selbst. Foto: noveski.com

Ein alles in allem hochverdienter und auch souveräner Erfolg der Barmbeker. Das sah auch der Chefcoach, der für seine Verhältnisse recht wenig von außen „coachte“, so: „Ich hatte in der ersten Halbzeit nicht das Gefühl, dass es einen Mehrwert gehabt hätte, wenn ich etwas gesagt hätte, weil es gut aussah und wir gegen den Ball kein Thema hatten. Da ist die Mannschaft mittlerweile, wenn sie es gut macht, in der Lage, einen Gegner weg zu verteidigen. In der zweiten Halbzeit hatten wir irgendwann einen Punkt, wo es aus Spielersicht etwas wilder wurde. Wenn es dann von draußen auch wild wird, dann wird’s blöd. Von daher hätte es der Mannschaft nicht geholfen, wenn ich da den Rumpelstilzchen gemacht hätte.“ Den machte Jeremy Jungkurth auf dem Platz fast im Alleingang mit den defensiv komplett überforderten Pinnebergern…

Autor: Dennis Kormanjos

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