Wacker willenlos: „Was ist denn los mit euch? Wacht mal auf jetzt!“
Meiendorf belohnt sich für jeden vergossenen Schweißtropfen
Meiendorfs Andrej Blum (re.) war einmal mehr kaum zu stoppen - auch nicht von Atef Zakerwal (li.). Foto: timelash.de
„Was ist denn los mit euch? Wacht mal auf jetzt!“, machte V/W-Keeper Yalcin Ceylani seinem Unmut nach nicht einmal 40 absolvierten Minuten lautstark Luft. „Man kann immer mal ein Spiel verlieren – aber bestimmt nicht so“, war auch sein Trainer hinterher nahezu sprachlos. Gleiches galt für Gökhan Acar, der zusammen mit Kreutzer in der kommenden Spielzeit die Geschicke bei Oberligist FC Türkiye leiten wird: „Das war mit Abstand unsere schlechteste Saisonleistung. Nur gegen Hamm United war es ähnlich schwach.“ Für einen Außenstehenden war die Darbietung der Billstedter an der B75 jedenfalls kaum erklärbar. Obwohl man mit einem Sieg zumindest vorübergehend und kurzzeitig die Tabellenführung hätte übernehmen können, fehlte während der 90 Minuten einfach alles! Kein Wille, keine Leidenschaft, Fehlpässe über Fehlpässe: Die Liste könnte nahtlos fortgeführt werden.
„Wollten die Zuschauer wieder mit ins Boot nehmen“
Da wollte das Trainerteam auch die Ausfälle von Leistungsträgern wie Peter Iwosa, Julian Bieber, Tarek Pressel oder aber Erdinc Örün, Onur Tüysüz und Kim Liebermann nicht als Erklärung gelten lassen. So blöd es auch klingt: Aber gefordert wurde Meiendorf nicht – und das, nachdem die Ergün/Saglam-Equipe in den vergangenen beiden Wochen zwei herbe Pleiten in Ohe (1:4) und bei Paloma (1:5) kassierte. „Die Motivation als solche war die, dass wir uns für die ganze Vorbereitung, jede Trainingseinheit, jedes Spiel, jeden Schweißtropfen, den jeder einzelne Spieler verloren und investiert hast, belohnen wollten“, erklärte Saglam hinterher. „Nach zwei Niederlagen, wo wir nicht ansatzweise unsere Leistung abrufen konnten, war es uns wichtig, die eigenen Zuschauer mit ins Boot zu nehmen. Das ist uns gelungen. Heute fahren wir alle glücklich nach Hause!“
Blum, Sara und Co führen Billstedt vor
Bereits nach einer Spielhälfte war der Drops mehr oder minder gelutscht. Den Anfang machte Torjäger Andrej Blum, der ein Zuspiel von Michael Sara aus gut und gerne 22 Metern in den linken Giebel jagte (5.)! Ein herrlicher Treffer – aber ebenso erstaunlich, wie viel Platz Blum im Zentrum gewährt wurde. Dass Meiendorf einfach williger und schlichtweg wacher war, zeigte das 2:0, als Marcin Hercog rechts am gegnerischen Sechzehner einen Freistoß kurz ausführte. Saras Schussversuch unter Bedrängnis landete am zweiten Pfosten, wo kein Billstedter, sondern ausschließlich Tino Oschetzki schnell schaltete und den Ball über die Linie wurschtelte (35.)! Wenn es Torchancen gab, dann hatte der MSV diese. So auch in Minute 44, als die weit aufgerückte Wacker-Defensive gnadenlos ausgespielt wurde. Sara steil auf den früh eingewechselten Lawrence Schön. Dieser hatte auf halbrechts bereits freie Bahn, legte aber nochmal uneigennützig quer auf Osman Celik – 3:0!
„Man darf nicht vergessen: Was ist aus was geworden?“
„Wir haben gut ins Spiel gefunden, die Zweikämpfe früh für uns entschieden und auch unser Positionsspiel war gut. Der Plan ist voll aufgegangen“, lobte Saglam seine Truppe, die eine bärenstarke Leistung zeigte. „Ganz unabhängig davon, ob der Gegner über oder unter uns steht, ist es so, dass jeder Spieler seine eigene Top-Leistung abrufen kann, wenn er sich gut vorbereitet. Jeder weiß ja, dass wir keine richtige Vorbereitung hatten, sondern über die Saison hinweg als Mannschaft zusammengewachsen sind. Ob wir nun die Möglichkeit haben, aufzusteigen oder nicht. Aber letztendlich sollte man sich nicht kampflos ergeben, wenn man eine gesunde, erfolgreiche Saison gespielt hat. Denn man muss sich immer wieder vor Augen halten: Was ist aus was geworden?! Mit dieser Einstellung, Energie und Leidenschaft sind wir ins Spiel gegangen“, so Saglam.
Vollmers „beglückwünscht“ Oschetzki
Im zweiten Abschnitt konnten es seine Mannen vor 171 Zuschauern ganz ruhig angehen lassen. Denn eine Reaktion der Gäste blieb aus. Stattdessen hagelte es Gelbe Karten im Überfluss. Schiedsrichter Ralph „Drago“ Vollmers (FSV Geesthacht) hatte wie gewohnt alles im Griff und machte bei seinem letzten Auftritt in der Flens-Arena einen überaus guten und teilweise auch amüsanten Job. Als er Meiendorfs Oschetzki nach einem völlig unnötigen Ballwegschlagen den gelben Karton zeigte, rief er diesem nur hinterher: „Herzlichen Glückwunsch“. Die Partie war zu diesem Zeitpunkt längst gelaufen und entschieden. Nur für die Chronistenpflicht: Mit dem Schlusspfiff betrieb Juro Julardzija noch einmal Ergebniskosmetik, als er nach einem Freistoß von Ulas Dogan die Kopfballablage von Ozan Gencel über die Linie drückte (90.).
„Wollen das Maximum aus dieser Saison herausholen“
In dieser Verfassung dürfte sich Vorwärts-Wacker aus dem Titelkampf der Landesliga Hansa verabschieden. Aber vielleicht kommt es dem Verein ja sogar entgegen…? Für Meiendorf war der Zug nach oben eigentlich schon abgefahren. Und fünf Punkte auf Platz zwei sind nach wie vor ein richtiges Brett. Aber: „Wenn man ganz realistisch ist, müssen jetzt alle Mannschaften vor uns Punkte lassen und wir unsere Hausaufgaben machen. Wir konzentrieren uns einfach darauf, das Maximum aus dieser Saison herauszuholen. Jeder einzelne Schweißtropfen muss sich lohnen. Denn wenn wir planlos trainieren, dann spielen wir auch planlos und haben keine Ziele. Aber jeder Spieler, der leidenschaftlich Fußball spielt, setzt sich auch Ziele – ob nun kleine oder große. Ein kleines Ziel kann sein, dass man sich vornimmt, beim Training zweimal vom Trainer gelobt zu werden. Mit solch einer Einstellung wollen wir in jedes Spiel gehen. Das ist uns gelungen, bis auf die letzten beiden Spiele. Da hatten die Jungs etwas gutzumachen – und das haben sie heute getan“, findet Saglam abschließend wahre Worte.