„Weiß selbst nicht, warum wir gewonnen haben und bin genervt!“

Cordi-Neucoach Gossow trotz Last-MInute-Sieg total bedient

09. April 2017, 21:08 Uhr

Alex Mucunski (re.) sorgte mit zwei Treffern maßgeblich dafür, dass Cordi das Spielfeld als Sieger verließ.

Sein Team hatte in den Schlussminuten einen 1:2-Rückstand in einen 3:2-Sieg umgebogen – doch Florian Gossow war auch einige Minuten nach Spielende nicht wirklich zum Feiern zu Mute. „Ich kann den Sieg nicht so richtig genießen und mich auch nicht drüber freuen, weil ich eigentlich mehr genervt bin, als dass ich hier jetzt jubelnd herumspringen könnte!“ Der Grund für Gossows miese Stimmung: Sein Team gab das Zepter nach einer dominanten ersten Halbzeit komplett aus der Hand. „Eine wirkliche Erklärung habe ich noch nicht, darüber werde ich mir intern nochmal genauestens Gedanken machen.“

Während auf Concordias Neucoach „wieder eine schwierige Woche“ wartet, in der „wir wieder viel machen müssen und ich unglaublich viel aufzuarbeiten habe“, wie Gossow hinterher zu Protokoll gab, war auch Jörn Großkopf mit einer Tatsache nicht einverstanden: „Wir haben in der ersten Halbzeit die schlechteste Partie in 2017 gespielt und überhaupt nicht das umsetzen können, was wir uns vorgenommen haben!“ Eine Tatsache, aus der Concordia viel zu wenig Kapital schlug. „Der Kollege sagt, es war von Wedel die schlechteste Halbzeit. Ich finde, dass wir auch eine sehr gute Halbzeit gespielt haben – vielleicht war das auch ein Stück weit dem geschuldet, dass Wedel nicht ganz so gut aussah. Trotzdem bin ich das erste Mal laut geworden in der Kabine, weil wir uns für den Aufwand, den wir betrieben haben, nicht ausreichend belohnt haben. Und letztlich können wir sogar froh sein, denn es hätte auch 1:1 stehen können.“

"Wir haben uns auf der Führung ausgeruht"

Florian Gossow war trotz des Sieges nicht zur Jubelstimmung aufgelegt. Foto: KBS-Picture.de

Aber der Reihe nach: Cordi begann sehr dominant, hatte viel Ballbesitz und brachte den WTSV immer wieder in Verlegenheit. Schon nach nicht einmal 120 Sekunden hatte Abdel Abou Khalil die erste dicke Chance, als er nach Kämpfers Flanke und Mucunskis Querschläger am zweiten Pfosten nicht mehr richtig mit dem Kopf hinter den Ball kam. Doch dann: Über Abou Khalil und Bambur kam das Spielgerät rechts im Strafraum zu Alexandar Mucunski, der trocken ins lange Eck vollendete (11.)! In der Folge konnten die „Bekkampler“ aus ihrer Dominanz kein Kapital mehr schlagen. „Wir haben uns auf der Führung ausgeruht. Das war sehr fahrig“, befand Mucunski und kam auf jene Szene vor der Pause zu sprechen, die beinahe zum von Gossow bereits angedeuteten 1:1 geführt hätte: „Ich denke, der Elfmeter zu diesem Zeitpunkt hätte uns das Genick gebrochen.“

Ronny Buchholz stoppte Marcus Richter, der von Hinzes Brustablage in Aktion gebracht wurde, regelwidrig als letzter Mann. Schiedsrichter Björn Krüger (SV Börnsen) zückte „nur“ Gelb, entschied aber völlig zu Recht auf Strafstoß für den WTSV. Hinze lief an, scheiterte jedoch mit seinem halbhohen Versuch am glänzend reagierenden Briant Alberti (44.)! „Es war eine Situation, wo wir zwei Minuten vor der Halbzeit einen Freistoß haben. Den führen wir schnell und halbhoch aus und dreschen den Ball mit Vollspann in die Mitte, anstatt ruhig zu bleiben. Daraus resultiert der Elfmeter. Da erwarte ich von einem Oberliga-Spieler einfach, dass so etwas nicht passiert“, bemängelte Gossow und setzte zur Kabinenpredigt an. „Ich habe die Mannschaft aufrütteln wollen, dass man sich für den Aufwand, den man betreibt, für das gute Spiel, das man bis dahin gezeigt hat, und auch für die hervorragende Trainingswoche einfach mal belohnt – und nicht wieder zittern muss.“

Stattdessen wurde mehr gezittert, als dem Cholevas-Nachfolger lieb sein konnte. Denn plötzlich stellte Concordia das Fußballspielen weitestgehend ein und holte die Gäste damit in die Begegnung zurück. Erst steckte der eingewechselte Furkan Pinarlik einen kurz ausgeführten Freistoß auf den ebenfalls als Joker in die Partie gekommenen Emre Yayla durch, der eiskalt aus halbrechter Position ins linke Eck einschweißte (72.)! Dann spitzelte Marlo Steinecke, von dem später noch die Rede sein wird, unter Bedrängnis den Ball zum durchstartenden Mark Hinze durch, der das Leder an Alberti vorbei und dann in die Maschen schob (75.). 2:1 Wedel – Spiel gedreht! Die Hausherren wurden für ihre Passivität bestraft. „Ich will nicht sagen aus dem Nichts, weil Wedel deutlich besser geworden ist, gut und clever agiert hat“, so Gossow. „Ich wollte in der zweiten Halbzeit eine Reaktion sehen, die haben wir gezeigt“, befand Großkopf. Und dennoch verließen seine Schützlinge das Spielfeld am Ende mit gänzlich leeren Händen.

"Ich weiß selbst nicht, warum wir das Ding gewonnen haben"

Lange kaum zu sehen, am Ende aber der Siegtorschütze: Benjamin Bambur (re.). Foto: KBS-Picture.de

Einen Eckball von Timo Stegmann köpfte Bambur an die Latte, den Abpraller drückte Mucunski wuchtig ins Tornetz – 2:2 (83.)! Als der Doppeltorschütze den Ball schnell mitnehmen und in Richtung Anstoßkreis bringen wollte, stoppte ihn Sonay Hayran unsanft und setzte sogar zu einer Kopfnuss an. Mit dem gelben Karton war der ansonsten starke Außenverteidiger bestens bedient! „Ich will ihn da nicht in Schwierigkeiten bringen. Er weiß, was er gemacht hat – und ich weiß, was ich gemacht habe. Dabei will ich es belassen“, wollte Mucunski anschließend kein großes Fass aufmachen. Während beide Teams in den Schlussminuten weiter den Vorwärtsgangs suchten. Mittlerweile weckte das Duell zumindest ganz leichte Erinnerungen an das „Jahrhundertspiel“ in der Hinserie, als Cordi die Achterbahnfahrt mit 8:5 gewann. Es brach die allerletzte Minute an, als abermals Stegmann einen Eckball auf den zweiten Pfosten schlug. Dort stand Ronny Buchholz auf einmal völlig blank – doch Hayran kratzte dessen Kopfball von der Linie. Die Gefahr war allerdings noch lange nicht gebannt, da Bambur genau dort stand, wo ein Torjäger zu stehen hat, und den Abpraller über die Linie stocherte. 3:2 (90.)!

„Beim 2:2 sage ich noch: Okay, das kann passieren. Aber beim 2:3 fehlt die Zuteilung total. Da muss Marlo Steinecke bei seinem Mann sein. Er hat das Ding auch auf seine Kappe genommen“, verriet Großkopf hinterher und bilanzierte trotz der Pleite: „Ich bin alles andere als unzufrieden, weil wir gegen eine physisch starke Mannschaft gespielt haben.“ Sein Gegenüber gestand hingegen: „Ich weiß selbst nicht, warum wir das Ding gewonnen haben und bin auch total angenervt!“ Durch den Sieg hat Concordia den Rückstand auf Spitzenreiter Altona zwar auf sechs Zähler verkürzt. Mit so einer Leistung wird man aber kein Wörtchen mehr um die Meisterschaft oder gar Regionalliga mitsprechen können...

Autor: Dennis Kormanjos