„Wenn man die Chance hat, nach den Sternen zu greifen, warum soll man es nicht versuchen?“

Meiendorf-Coach Fatih Ergün über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des MSV

10. November 2016, 15:58 Uhr

Überraschte mit dem Meiendorfer SV alle Außenstehenden: Trainer Fatih Ergün. Foto: noveski.com

Der Weg des Meiendorfer SV für die laufende Serie schien vor Beginn der Spielzeit vorgezeichnet. Nachdem Olaf Ohrt, der als Trainer vorgesehen war, sein Amt nicht antrat, weil mit Nico Sorgenfrey sein Vertrauter nicht als Ligamanager zur Verfügung stand, und in diesem Zuge auch etliche Neuzugänge von einem Engagement an der B75 abrückten, galt der MSV als größter Abstiegskandidat. Kein Wunder, denn das neue, alte Trainerduo Fatih Ergün und Baris Saglam stand kurz vor der Saison ohne einen wettbewerbsfähigen Kader da. Doch den beiden ist es gelungen, aus dem Nichts ein Team zu formen, dass mit dem Abstieg inzwischen rein gar nichts mehr zu tun hat...   

Es war am 6. August diesen Jahres. Einem warmen Sommer-Samstag. Fatih Ergün stand nach dem Spiel des Meiendorfer SV gegen Dersimspor auf dem Kunstrasenplatz am Deepenhorn. Um ihn herum die anwesenden Pressevertreter. Und die Farbe von Ergüns schwarzem T-Shirt wollte so gar nicht zur Stimmung des 48-Jährigen in jenem Moment passen. Wochenlang hatte quasi der komplette Hamburger Amateurfußball nichts als reine Schwarzmalerei betrieben, dem Club in Folge des geplatzten Engagements von Olaf Ohrt und etlichen eigentlich angekündigten Neuzugängen nach dem Abstieg von der Ober- in die Landesliga gleich den nächsten Absturz Richtung Bezirksliga prophezeit.

„Unser Optimismus beruhte auf dem Wissen über die potenziellen Neuen“

Der Mann mit den Kontakten: Fatih Ergün bescheinigt Baris Saglam erstklassige Arbeit bei der Suche nach Neuzugängen. Foto: noveski.com/Herzog

Doch dann setzte der MSV eben an jenem 6. August 2016 ein erstes Ausrufezeichen. Den selbsternannten Titelkandidaten Dersimspor zwang die gelb-schwarze Equipe nach einem 0:2-Rückstand mit einem 4:2 in die Knie. Auch, wenn es danach hier und da noch Remis und die eine oder andere Niederlage zu verkraften gab: Dieser Moment war so etwas wie die Auferstehung von den Totgesagten und zugleich ein Auftakt für eine Spielzeit, wie sie dem MSV kaum jemand zugetraut hatte. Außer die Mannschaft selbst und das Trainerteam um Fatih Ergün vielleicht. Schon nach dem 4:2 gegen Dersim entgegnete der Coach auf die Frage, ob es ihn überrascht habe, dass seine Mannschaft dieses Spiel noch zu ihren Gunsten gedreht habe, mit einem vehementen „Nein“.


Den weiteren Saisonverlauf, den man ohne Weiteres als Erfolg bewerten kann, dürfte kaum jemand so unbedingt erahnt, sondern – zumindest als MSV-Anhänger – höchstens erhofft haben. Mit 25 Punkten aus 15 Spielen steht Meiendorf derzeit auf einem – gemessen an den Vorzeichen – erstklassigen fünften Platz und liegt gerade einmal sechs Zähler hinter dem Spitzenreiter TSV Sasel. Eine Überraschung? Wie schon seinerzeit nach dem Heimspiel gegen Dersimspor lautet die Antwort von Faith Ergün: Nein. „Wir hatten schon das Saisonziel, unter den ersten Acht zu landen“, verrät der MSV-Trainer, „unser Optimismus beruhte damals darauf, dass wir uns ja bewusst waren, welche potenziellen Neuzugänge bei uns auftauchen würden.“ Vornehmlich ein Verdienst von Baris Saglam. „Ohne ihm seine Qualitäten als Trainer absprechen zu wollen: Er ist eher ein Manager als ein Coach. Baris hat jede Menge Kontakte und pflegt diese“, verrät Ergün, der mit seinem Mitstreiter bei den Verpflichtungen vor allem die Prämisse hatte, „dass wir qualitativ gut ausgebildete, spielintelligente Jungs mit hoher Eigenmotivation für uns gewinnen wollten. Insbesondere diese Eigenmotivation ist das A und O.“

„Am Anfang war es wie beim Verliebtsein“

Im Gespräch: Fatih Ergün gibt seine Instruktionen an Spieler Tino Oschetzki weiter. Foto: noveski.com

„Am Anfang“, so blickt Ergün zurück, „war es relativ einfach, die Mannschaft zu formen. Das ist einfach so, wenn du Spieler mit Eigenmotivation hast. Ich vergleiche das mit Verliebtsein: Man freut sich wie ein kleines Kind auf etwas Neues, ist voller Motivation und schwebt auf einer großen Welle. Das nimmst du als Trainer gerne an und mit. Aber irgendwann lässt die Euphorie natürlich auch nach und es gibt Rückschläge.“ In Form von Spielen, die unentschieden enden oder mit einer Niederlage. Auch das erlebte der MSV in dieser Spielzeit schon. Ist die Aufgabe an der B75 also trotz der anfänglichen Euphorie die schwerste in der Trainerkarriere des Fatih Ergün? So, wie man es von außen betrachtet meinen könnte, wenn man sich das Zitat seines Co-Trainers Baris Saglam aus dem Sommer in Erinnerung ruft, dass „wir zwei Tage vor dem Trainingsstart einen Scherbenhaufen übernommen haben...“

„Wenn ich mein Leben betrachte, dann ist es so, dass man tagtäglich mit Herausforderungen konfrontiert wird und es etwas gibt, was man zum Laufen bringen muss. So gesehen ist die Aufgabe beim Meiendorfer SV eine schöne Herausforderung, bei der man seine Qualitäten als Trainer beweisen kann“, erklärt Ergün, „natürlich hat jeder gesagt: Ihr braucht eine Weltklasse-Leistung, um die Klasse zu erhalten. Aber es ist einfacher, wenn dir die Knarre auf die Brust gesetzt wird und es heißt, du musst die Klasse halten, als wenn derjenige mit der Knarre dir sagt, du musst unbedingt aufsteigen.“

„Wir wollen uns in der Winterpause nochmal verstärken“

Nach dem bisherigen Saisonverlauf hat Fatih Ergün gut lachen. Foto: noveski.com

Die Sache mit dem Klassenerhalt dürfte für den Meiendorfer SV in dieser Saison trotz aller Unkenrufe zu Beginn kein großes Problem mehr werden. Doch was macht man mit so einem fünften Platz wie im Moment? Greift der vor der Saison als Absteiger Nummer eins ausgerufene MSV in der am Wochenende beginnenden Rückserie sogar noch nach den Sternen, sprich der Rückkehr in Hamburgs Fußballoberhaus? „Wenn man es nüchtern betrachtet, kann in dieser Liga jede Mannschaft jeden Gegner schlagen“, holt Ergün zur Antwort aus, „das haben wir ja erst am vergangenen Wochenende wieder gesehen. Ich hatte zum Beispiel nicht damit gerechnet, dass Paloma gegen Sasel gewinnt. Aber zu unserem Vorteil hat Paloma genau das getan.“ Damit ist die Spitze wieder etwas enger zusammengerückt. „Wenn man die Chance hat, nach den Sternen zu greifen, warum soll man es nicht versuchen?“, befindet Ergün, „wir haben schließlich ein gewisses Potenzial in der Mannschaft.“

Doch stopp: Mit den „Sternen“ meint Ergün nicht den Platz an der Sonne. „Ich denke, dass Sasel der Topfavorit ist. Die haben eine Mannschaft, die über zwei, drei Jahre eingespielt ist. Solche Mannschaften, die es im ersten oder zweiten Anlauf nicht schaffen, denen gelingt meist im dritten der Sprung nach oben. Ich bin überzeugt, dass Sasel Erster wird“, gibt der Meiendorf-Coach zu Protokoll, der mit seinen Schützlingen eher auf die Ränge dahinter, vornehmlich Platz zwei, schielt. „Wir wollen uns in der Winterpause nochmal verstärken“, kündigt Ergün personelle Ergänzungen an, um dieses Ziel tatsächlich auch realisieren zu können. Eine davon ist Lawrence Schön, der bereits aus der A-Jugend des TuS Berne zum MSV gestoßen, aber erst ab Januar spielberechtigt ist. Seine fußballerische Ausbildung genoss der 19-Jährige beim Hamburger SV.

Jan Knötzsch