„Wir sind die Wunden schon gewohnt“

Hamburgs Traditionsplätze – Professor-Reinmüller-Platz / von Dirk Becker

31. Januar 2013, 08:39 Uhr

Sportanlage ist nicht gleich Sportanlage. Zu dieser Erkenntnis bedarf es kein großes Fachwissen. Und so wird jeder, der in Hamburgs Fußballszene ein wenig herumgekommen ist – ob als Aktiver oder Fan –, die Existenz ruhmreicher Traditionsplätze zu schätzen wissen. Ob bei Vicky an der Hohenluft oder bei Teutonia 05 an der Kreuzkirche – an dieser Stelle möchten wir ausgewählte Stätten mit besonderem Charme vorstellen. Den Anfang macht der HEBC mit seinem „Reinmüller“.

In der Tornquiststraße in Eimsbüttel, leicht versteckt zwischen Mietwohnungen liegt er, der Professor-Reinmüller-Platz des Hamburg Eimsbütteler Ballspiel Club, der bereits seit 1911 existiert. Die schroffe Ehrlichkeit des Ortes, wo Profigrößen wie Thomas Wolter (ehemals Weder Bremen) oder Daniel Brückner (heute SC Paderborn 07) hervorgebracht wurden, ist bereits beim ersten Betreten spürbar. „Die Atmosphäre hat schon etwas Nostalgisches mit dieser rustikalen Erscheinung der Bauten“, sagt Björn Meyer, der als Berichterstatter für fussballhamburg.de nahezu jedem Heimspiel der Lila-Weißen beiwohnt. „Viele Leute gehen am Sonntagvormittag in die Kirche – ich zum Reinmüller“, ergänzt er voller Begeisterung und macht keinen Hehl daraus, dass er dem staubig-rauen Ort sein Herz geschenkt hat. Hier kennt man sich, hier ist man offen und geradlinig zueinander. Besucher, die hierher kommen, messen dem Amateurfußball eine hohe kulturelle und gesellschaftliche Bedeutung bei. Und natürlich wollen sie ihre Mannschaft siegen sehen.

„Ich denke, das familiäre Miteinander spielt eine sehr große Rolle im Wohlbefinden eines jeden Mitglieds – vom Platzwart bis zum Clubwirt. Es sind die verschiedenen Charaktere, die den Verein so einzigartig machen und prägen. Ich spiele nun schon seit sechs Jahren beim HEBC, und es ist definitiv so, dass die Gegner sich denken, ‚boah, jetzt um 10.45 Uhr auf Grand kicken‘. Das nimmt dem einen oder anderen Gegner schon etwas die Lust. Und hektisch ist es hier sowieso immer. Damit kommt nicht jeder klar. Daher ist es ein klarer Vorteil für uns“, versucht Dejan Prostran, aktueller Kapitän der HEBC-Ligavertretung, den Zauber rund um den Klub mit seiner rührigen Anlange zu erklären.

„Hier pocht jeder auf den Kunstrasen“

In Zukunft soll der „rote Rasen“ einem modernen Kunstrasengeläuf weichen.

Wer seinen Blick über den in bester Wohnlage eingebetteten Grandplatz schweifen lässt, könnte meinen, es sei die Zeit stehen geblieben. Die liebevoll angestrichenen Auswechselbänke hier, die kleine, aber feine Gegengerade dort. Doch auch an der Tornquiststraße ticken die Uhren weiter. Dass in den letzten Jahren die Ascheplätze Hamburgs mehr und mehr den Kunstrasengeläufen weichen mussten, hat man auch bei den „Veilchen“ registriert. Und so werkelt man in Eimsbüttel an dem Plan, ab 2014 ebenso auf dem modernen, belastbaren und zugleich pflegeleichten Belag seine Heimspiele auszutragen. „Wir wollen konkurrenzfähig bleiben – nahezu alle Nachbarvereine haben bereits Kunstrasenflächen“, konstatiert Henning Butenschön, zweiter Vorsitzender des HEBC. In der Tat verfügen der ETV, der SC Victoria und GW Eimsbüttel bereits über derartige Anlagen, die mit gut einer halbe Millionen Euro jedoch ziemlich kostspielig in der Anschaffung sind. Eine Fördersumme der Stadt wird es für das Umwandlungsprojekt geben, in welcher Höhe ist indes noch nicht abschließend geklärt. Kreativität in der weiteren Finanzierung ist also gefragt. Eine Spendenaktion, bei der Teilnehmer als Platzpate fungieren, ist bereits ins Leben gerufen.


Künstliches Grün auf dem Reinmüller. Es gibt nicht nur Befürworter dieser angedachten Maßnahme. „Als Zuschauer und Berichterstatter bin ich kein großer Fan von Kunstrasenplätzen – erst recht nicht hier. Hier hat der Rasen rot zu sein“, meint Meyer, der vom legendären Pokalmatch der zweiten Runde gegen den Niendorfer TSV im Jahre 2008 schwärmt. 3:1 nach Elfmeterschießen gewann HEBC damals. Wegen Platzregens war die Partie für gut 30 Minuten unterbrochen gewesen, wurde dann aber doch fortgesetzt. „Ich war komplett aufgeweicht, aber als Sven Wolgast den entscheidenden Elfer versenkte und zweimal um den Platz sprintete, war mir das herzlich egal.“

Gar martialische Töne schlägt HEBC-Offensivakteur Eduardo Avarello an. „Der Grandplatz ist schon außergewöhnlich und dann noch mitten in der Stadt. Und dann noch topgepflegt und geschliffen vom besten Platzwart der Welt, von Renato. Die Gegner haben einfach Angst, hier einen Zweikampf anzugehen. Wir sind die Wunden schon gewohnt, ist nicht toll, aber so ne kleine Wunde oder auch größere juckt uns nicht.“
Ärmel hochkrempeln, Kämpfen bis zum Umfallen, den widrigen Umständen trotzen und den Gegner in die Knie bezwingen – mit derlei Attributen wird der HEBC gerne in Verbindung gebracht. Das Lob nimmt Prostran gerne an, sieht im Gesamtkonstrukt aber unterm Strich mehr Potential. „Hier pocht jeder auf den Kunstrasen. Wir können guten und gepflegten Fußball spielen und nicht nur kämpfen. Das werden wir auch auf dem hoffentlich baldigem Kunstrasen auch zeigen!“