Ekstase an der Ellernreihe: „BNS“ sorgt für Tränen, Wutausbrüche und allerlei Emotionen!

Sasel überflügelt Bramfeld in der 96. (!) Minute und springt an die Spitze

06. Mai 2017, 00:00 Uhr

Unmittelbar nach dem Siegtreffer mit der letzten Aktion liefen sämtliche Spieler und Funktionäre zum zahlreich erschienden Anhang rüber. Foto: Heiden

Der Fußball kann die allerschönste, aber eben auch die grausamste Nebensache der Welt sein. Sollte es hierfür ein Beispiel benötigen, wäre das Aufeinandertreffen zwischen dem Bramfelder SV und dem TSV Sasel am heutigen Freitagabend das absolute Sinnbild dafür. Eine emotionale Achterbahnfahrt an der Ellernreihe endete vor rund 400 hintenraus tobenden Zuschauern mit puren Glücksgefühlen auf der einen – und Wut, Ärger, Unverständnis sowie Ungläubigkeit auf der anderen Seite…

Tobias Steddin kann freistehend Maß nehmen und überlistet mit seiner Bogenlampe zum Saseler 1:0 auch Patrick Möller (re.). Foto: Heiden

Danny Zankl musste sich erst einmal sammeln. Gerade hatte sein TSV Sasel in der sage und schreibe 96. (!) Minute den glücklichen 3:2-Siegtreffer beim großen Aufstiegskonkurrenten erzielt und diesen frenetisch gefeiert, da stand der Trainer etwas abseits des ekstatischen Jubels und musste die Tränen zurückhalten. „Vor dem Spiel musste ich einmal kurz bei der Besprechung mit den Tränen kämpfen“, wollte Zankl seine Emotionen bei sich behalten – und erklärte: „Ich habe den Jungs gesagt, wie unglaublich stolz ich die letzten Wochen und Monate auf sie bin. Wir sind so jung, haben in jedem Training 21 Leute am Start und so einen unfassbaren Druck! Die Jungs ordnen dem Erfolg alles unter. Da läuft es mir wirklich kalt den Rücken runter.“ Auch Florian Neumann lief es kalt den Rücken runter, als sein Bramfelder SV wenige Sekunden davor war, den Tabellenzweiten auf Abstand zu halten und dem Oberliga-Aufstieg ein riesengroßes Stückchen näher zu kommen. Aber man war eben nur ganz, ganz dicht davor. Denn die im wahrsten Sinne allerletzte Aktion des Hansa-Gipfeltreffens sollte für einen 180-Grad-Turnaround sorgen. Und eben für frenetischen Jubel auf der einen sowie blankes Entsetzen auf der anderen Seite.

„Das sind Cojones“!

Milos Ljubisavljevic (re.) gelingt der zu jenem Zeitpunkt überraschende Anschlusstreffer. Foto: Heiden

Erst war Robin Polzin nach einem Saseler Einwurf zu passiv. Dann folgte ein Foulspiel von Marcel Schwarck links am Sechzehnereck gegen Timo Adomat, das so unnötig wie ein Kropf war. Der Saseler Kapitän drehte sich gerade vom Tor weg, als der Ball aufsprang und Schwarck den Fuß drüber hielt. Elfmeter! „Er weiß es selbst und wird derjenige sein, der am traurigsten ist. Es ist passiert und in dieser Situation war ich außer mir, weil wir es schon vorher nicht besser gelöst haben“, ärgerte sich Neumann.

Fast zwei Minute dauerte es, bis Benedikt Neumann-Schirmbeck den Strafstoß ausführen konnte, da Adomat noch länger behandelt werden musste. So lange hieß es für die Gäste: zittern und bibbern. „Ich habe hier 26 Spieler, 48 Leute im Funktionsteam, 300 Saseler, die auf der Anlage sind – und ich weiß, dass alle auf einmal vor Euphorie sprühen. Ich als Trainer hab mir nur gedacht, all das, was wir an Arbeit reinstecken, wird sich auszahlen“, so Zankl. Und tatsächlich blieb „BNS“, der nach seiner Rückkehr aus dem Urlaub erst einmal auf der Bank Platz nahm, so kalt wie eine Hundeschnauze – oder wie es Zankl formulierte: „Das sind Cojones“! Er guckte BSV-Fänger Patrick Möller aus und schob den Ball staubtrocken ins rechte untere Toreck (90. +6). Was folgte war eine regelrechte Jubelarie der „Parkwegler“!

Sasel erwischt Traumstart

Carsten Henning (M.) lässt sich nach seinem sensationell herausgespielten Tor zum 2:2 feiern. Foto: Heiden

„Ich würde am liebsten in den Tisch beißen. Zahnschmerzen sind schöner“, brachte Neumann seine Enttäuschung zum Ausdruck. Ein tragisches Ende für den BSV – aber jene 96 Minuten waren einfach nur Werbung für den Amateurfußball! Die Anfangsphase dominierte der TSV – und zwar so sehr, dass nach 25 Minuten wohl kaum einer der 400 anwesenden Besucher auch nur einen Pfifferling auf den Primus gesetzt hätte. Erst übertölpelte Tobias Steddin nach einer Zankl-Freistoß-Hereingabe nicht nur die passiven Bramfelder Verteidiger, sondern mit seiner Bogenlampe auch den immer wieder unsicher wirkenden Möller (3.)! Dann brachte Yannis Büge einen herausragenden Spielzug über Daniel Lichy und Nico Behrends zum krönenden Abschluss (25.)! Auch dem Treffer ging eine regelrechte Fehlerkette der „Neumänner“ voraus. Das es zu diesem Zeitpunkt „nur“ 2:0 für die „Zankl-Zocker“ hieß, lag auch am etwas zu ungenauen Querpass von Behrends auf Büge, der hauchzart vorbei huschte (8.).

„Wir sind zu passiv geworden und Bramfeld hat das stark gemacht“

Der Wendepunkt: Jan Kuhle (li.) sieht die Ampelkarte. Foto: Heiden

Und urplötzlich schlug Bramfeld zurück: Jan Kuhle bediente den rechts durchstartenden Milos Ljubisavljevic. Dessen Schuss wehrte Todd Tuffor unglücklich nach vorne ab, ehe Sebastian Zinselmeyer mit seinem Klärungsversuch nur den Kopf von Ljubisavljevic fand. Die Kugel senkte sich im hohen Bogen ins lange Eck (26.)! „Das schiebe ich ein wenig auf die Jugendlichkeit. Ein richtig dummes Tor! Und danach ist man natürlich am Zweifeln“, gab Zankl zu Protokoll. „Auf einmal kippt das wieder, der Schalter legt sich um und man denkt sich: Da geht ja doch was“, machte Neumann bei seinen Männern folglich eine ganz andere Körpersprache aus. Auch zu Beginn der zweiten Halbzeit „haben wir all das umgesetzt, was wir wollten“. Die Belohnung: Ein sensationeller Angriff über Marcel Perz, der nach dieser Saison zum heutigen Gegner wechseln wird und ein vor allem in der zweiten Halbzeit bärenstarkes Spiel machte, Marcel Schwarck und Milos Ljubisavljevic wurde von Carsten Henning im Zentrum veredelt – 2:2 (54.)! „Da wurden wir zu passiv und Bramfeld hat das in der Phase stark gemacht. Sie hatten viele Positionswechsel und wir waren nicht griffig. Wir haben den Übergang zwischen Angriffs- und Mittelfeldpressing nicht gut gemacht und kriegen dann einen richtigen Nackenschlag“, so Zankl, dessen Gegenüber befand: „Das spielen wir so stark aus, sind am Drücker – und kriegen dann die Gelb-Rote Karte. Die hat uns schlussendlich so ein bisschen den Zahn gezogen – von der Ordnung her.“

Kuhle fliegt – „Das Pendel musste zu unseren Gunsten ausschlagen“

Total fokussiert: Neumann-Schirmbeck läuft an... und trifft zum Sieg! Foto: Heiden

Jene Ampelkarte handelte sich Jan Kuhle nach einem blöden Foulspiel gegen Yannis Büge ein (72.)! Es war der Wachrüttler für den TSV Sasel, der nun wieder mehr machte und die Überzahl zu nutzen wusste. „Die Gelb-Rote Karte hat uns natürlich geholfen“, meinte auch der Saseler „Headcoach“. Der BSV verteidigte nun mit Mann und Maus und sah sich immer wieder den wütenden Angriffen des Verfolgers gegenüber. Bis zur 96. Minute hielten die Bramfelder Dem Druck stand – doch dann kam „BNS“. Zankl: „Mir war bewusst, dass es knapp und ein heißes Ding wird. Aber mir war klar, dass das Pendel jetzt einfach mal zu unseren Gunsten ausschlagen muss!“ Derweil bilanzierte Neumann: „Ich habe den Jungs vor der Partiegesagt, dass es wie eine Klausur ist, wofür man lernen muss. Das Hinspiel ist jetzt eine Weile her und seitdem haben wir viel gelernt und fleißig geübt. Viele Spiele haben wir seitdem mit Bestnoten bestanden, manche auch nur mit einer Drei oder Vier. Aber wir haben eben fast alle Spiele in diesem Jahr gewonnen und uns weiterentwickelt. Und das war in meinen Augen in Halbzeit zwei auch zu sehen. Am Ende hat das glücklichere und nicht das bessere Team gewonnen.“

„Wir müssen gar nichts, wir spielen eine geile Serie!“

Nach Abpfiff war "BNS" (li.) der gefeierte Mann. Foto: Heiden

Trotz der unheimlich bitteren Niederlage und des Verlustes der Tabellenführung an den Gegner, schaute Neumann schweren Herzen, aber voller Tatendrang, bereits voraus. „Wir sind nach einem 0:2 zurückgekommen und haben Sasel ins Schwitzen gebracht. Ich glaube schon, dass bei denen mehr die Pumpe ging als bei uns. Wir müssen gar nichts, spielen eine geile Serie! Und jetzt geht’s am Freitag in Ohe weiter. Davon werden wir uns nicht umhauen lassen!“ Schließlich verlor der Übungsleiter auf Nachfrage noch einige Worte über die Leistung des künftigen Saselers Marcel Perz. „Die Spiele, die er gemacht hat, bis auf ganz wenige Ausnahmen, waren vom Charakter her einwandfrei. In der ersten Halbzeit war er nicht so drin – aber in der zweiten dafür umso stärker. Er hat immer geackert, sich voll reingehauen, die Wege gemacht und vor allem auch die Bälle wieder gespielt. Dafür lasse ich ihn aber auch spielen. Es gibt andere Trainer, die das nicht tun…“ Abschließend muss noch die herausragende Leistung des Unparteiischen Adrian Höhns (TuS Dassendorf) hervorgehoben werden. Der Referee behielt in diesem hitzigen Duell – in dem vor allem von der Saseler Bank unheimlich viel Unruhe hineingetragen wurde – stets einen kühlen Kopf, erstickte mit seiner ruhigen Art jegliche negativen Emotionen sofort im Keime und machte nahezu alles richtig. Chapeau!

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Der Siegtreffer in Minute 96 inklusive aller Emotionen im Video

Autor: Dennis Kormanjos