Mit „Mann-und-Maus-Mauer“ – Wiehle „muss um Worte ringen“!

Osdorfer Abwehrschlacht treibt Dassendorf in den Wahnsinn

04. März 2017, 18:44 Uhr

Der TuS Osdorf nimmt den Wendelweg ein und zelebriert den Triumph beim Meister nach Schlusspfiff gebührend. Foto: KBS-Picture.de

Die unterschiedlichen Gefühls- und Emotionslagen sprachen Bände: Während sich Osdorf-Trainer Piet Wiehle und sein Manager Cemil Yavas eine gefühlte Ewigkeit in den Armen lagen, saß Dassendorf-Coach Peter Martens mit seinem Torjäger Marcel von Walsleben-Schied auch lange nach dem Abpfiff mit leerem Blick noch auf der Trainerbank. Beide konnten wahrscheinlich nur schwer fassen, was sie in den insgesamt 97 Minuten zuvor sahen. Selbst Ex-Profi von Walsleben-Schied wird ein ähnliches Spiel in seiner langen Laufbahn wohl kaum erlebt haben…

Die Spieler des TuS Osdorf waren am Ende. Nicht mit ihrem Latein, aber mit den Kräften. Die Hände wurden gen Hüfte gesteckt, die Köpfe hingen vorne über. „Uns war von vornherein klar, was uns heute hier erwarten würde“, sagte Kapitän Bennet Krause und pustete erstmal kräftig durch. Angreifer Jeremy Wachter, der dieses Mal eher den Defensivverbund verstärkte und vermehrt als linker Außenverteidiger agierte, konnte derweil sein Glück kaum fassen: „Jetzt geht es schon so weiter wie in der Landesliga“, scherzte der „Blondschopf“ angesichts der fast schon angsteinflößenden Serie des Oberliga-Novizen, der sich an diesem Nachmittag mit aller Leidenschaft für den Erfolg zerrissen hat. „Ich muss erstmal um Worte ringen, um das Ganze zu realisieren“, startete „Erfolgsmacher“ Piet Wiehle sein Statement auf der Pressekonferenz. „Es war ein sensationelles Spiel und für uns die zu erwartende Abwehrschlacht.“

"Torben hat exat diesen Spielverlauf vorausgesagt"

Der Jubel nach dem Führungstreffer durch Sascha Blume (4. v. re.). Foto: KBS-Picture.de

Jene Abwehrschlacht sagte Torben Krause im Vorfeld bereits voraus und bewies hellseherische Fähigkeiten. „Wenn ich jetzt sage, was Torben vor dem Spiel zu mir meinte, wird man mich für verrückt halten. Aber er hat vorausgesagt, dass wir in der vierten Minute das 1:0 machen und danach mit Mann und Maus die Führung verteidigen. Genau so ist es gekommen“, verriet Wiehle. Seinem Gegenüber, Thomas Hoffmann, „schwante schon nach drei Minuten Böses, als wir uns gegenseitig um die Führung bringen und im Gegenzug einen kapitalen Bock zum 0:1 fabrizieren. Da denkt man sich als Trainer schon: hoffentlich läuft das heute nicht schief.“ Denn die Partie hätte schon nach 180 Sekunden einen ganz anderen Verlauf nehmen können, wenn der im Abseits stehende Pascal Nägele in den Schuss von Finn-Lasse Thomas – fiel ansonsten nur durch seine exorbitante Fehlpass-Quote auf – nicht noch seinen Fuß reingehalten hätte. Denn der Ball wäre auch so im Tor gelandet – stattdessen ging die Fahne des Assistenten hoch.

Atug erst mit Abwehr-, dann mit Spuck-Aussetzer

Die Szene, in der Seyhmus Atug (li.) die Nerven verlor und Sascha Blume, der erstaunlich cool blieb, anspuckte. Foto: KBS-Picture.de

Was folgte, war der erste ganz grobe Aussetzer des indisponierten Seyhmus Atug. Seine Kopfballrückgabe geriet deutlich zu kurz. Sascha Blume bedankte sich auf seine Art und Weise, vollstreckte aus halblinker Position ins lange Eck. 1:0 Osdorf (5.)! Es war der Anfang der großen „Mann-und-Maus-Abwehrschlacht“ der Gäste. „Das Wetter hat mitgespielt und es hätte ein so schöner Tag werden können, aber mir hat schon in der ersten Halbzeit die Körpersprache überhaupt nicht gefallen“, bemängelte Hoffmann, der dann mit ansehen musste, wie seinem Verteidiger die Sicherungen durchbrannten: 39 Minuten waren vorüber, als immer mehr Hektik aufkam. Torschütze Blume soll Atug mit dem Ellbogen erwischt haben, woraufhin sich dieser „revanchierte“ – und zwar fast genau vor der Dassendorfer Bank und vor den Augen der Pressekollegen mit einem Spucken in den Nacken von Blume. Dieser blieb erstaunlich ruhig. Und ebenso erstaunlich wie auch bemerkenswert war die Reaktion der Dassendorfer. „Das passt nicht zu unseren Werten und ist in keinster Weise zu akzeptieren“, begründete Hoffmann die Auswechslung Atugs in der Halbzeit.

"Spätestens danach war mir klar, dass wir auch bis zur 207. Minute spielen können"

Nicht minder unglücklich agierte Kristof Kurczynski, der nach einem Foulspiel von Bennet Krause einen Freistoß zugesprochen bekam, was ihm aber offenbar nicht reichte. Beim Aufstehen folgte ein kleiner „Kopfstoß“ gegen den Osdorfer „Captain“. Auch diese Szene ließ der Unparteiische Konrad Oldhafer (SC Poppenbüttel), der seiner Linie über die komplette Spielzeit treu blieb, ungeahndet. Jener Kurczynski war es dann auch, der seinem Trainer-Gespann endgültig den Glauben an etwas Zählbares nahm. Völlig freistehend beförderte der Offensivakteur Ladendorfs starke Vorarbeit aus allerkürzester Distanz weit übers Gehäuse (58.). Keine zwei Zeigerumdrehungen zuvor landete von Walsleben-Schieds abgefälschter Schuss am rechten Pfosten – Hencke war bereits geschlagen. „Spätestens nach der Kurczynski-Chance war mir eigentlich klar, dass wir auch noch bis zur 207. Minute spielen können, ohne ein Tor zu machen“, so Hoffmann, dessen Team gefühlte 85 bis 90 Prozent Ballbesitz hatte, den „Sechser-Riegel“ der „Blomkampler“ aber einfach nicht knacken konnte.

"Geburtstagskind" Ude vergibt Doppelchance - Hencke wächst über sich hinaus

Osdorf-Keeper Claus Hencke (re.) rettete in der Schlussphase mit glänzenden Paraden den Sieg. Foto: KBS-Picture.de

Die Möglichkeiten waren jedenfalls da. Tarik Cosgun schädelte eine Carolus-Hereingabe aus zwei Metern übers Gehäuse (74.), ehe Osdorf-Fänger Claus Hencke in der Nachspielzeit zum Teufelskerl mutierte. Unglaublich, wie er den Acht-Meter-Schuss von Henrik Dettmann aus dem rechten unteren Toreck fischte (90.) – und wie er gleich zweimal gegen Julian Kerschke zur Stelle war. Am Ende hätte ein „Geburtstagskind“ den Osdorfer Nachmittag endgültig krönen können. Doch Antonio Ude scheiterte an seinem 36. Ehrentag gleich zweimal im Eins-gegen-Eins an Christian Gruhne (90., 90.+ 3). Nachdem Wachters Querpass auf den noch immer vor dem Dassendorfer Tor durchschnaufenden Ude, der schon in der 22. Minute den verletzten Germain Hounsiagama ersetzte, misslang, war Schluss und der Osdorfer Coup perfekt. Erstes Oberliga-Jahr der Vereinsgeschichte – und dem „Triple-Meister“ aus Dassendorf vier Punkte in zwei Spielen abgeknüpft! „Es ist der Wahnsinn, ich bin unheimlich stolz auf diese geile, eingeschworene Truppe“, gab Wiehle einen kleinen Einblick in seine Gefühlswelt, fügte aber auch an: „Ich sage immer wieder: Wer Meister werden will, muss uns erstmal schlagen!“ Das ist den „Wendelweglern“ in zwei Spielen nicht gelungen. „Es gibt sicherlich Schlimmeres, als beim Meister zu gewinnen.“

"Wichtig ist, dass wir uns wieder ausschließlich auf Fußball konzentrieren können"

Piet Wiehle (li.) und Cemil Yavas konnten ihr Glück kaum fassen. Foto: KBS-Picture.de

Der Aufsteiger ist nunmehr seit neun Spielen unbesiegt, triumphierte zuletzt gegen Türkiye, Altona, Buchholz und nun auch Dassendorf. „Vor der Serie kriege ich selbst ein wenig Angst“, gestand Wiehle, der Dassendorfs Sportchef Jan Schönteich auf der PK noch einen ungläubigen Blick ins Gesicht zauberte, als er verriet, dass man am vergangenen Abend noch in den Geburtstag von „Toni“ Ude reingefeiert habe. Wie lange es ging, wollte Wiehle zwar nicht kundtun – aber es scheint fast so, als wäre es die optimale Spielvorbereitung für seine Schützlinge gewesen. Osdorf ist eben anders – und trotzdem unglaublich erfolgreich! Während das Lachen gar nicht mehr aus den Gesichtern der Spieler und Offiziellen weichen wollte, gewährte Hoffmann abschließend noch einen kleinen, aber durchaus tiefen Einblick ins aktuelle Seelenleben des „Champions“: „Wichtig ist für uns, dass wir ab Dienstag den Fokus wieder ausschließlich auf den Fußball legen können, denn das war in der vergangenen Trainingswoche überhaupt nicht der Fall…“

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Autor: Dennis Kormanjos