Oberliga

„Bei noch drei Spielen und fünf Punkten Vorsprung darf man sich das eigentlich...“

20. April 2024, 02:02 Uhr

Luca Palzer (Mi.) vergab die eine oder andere Chance in aussichtsreicher Position gegen einen bärenstarken Dennis Lohmann. Foto: Matthias Wenner

Es ist nicht nur der Hamburger „El Clásico“, sondern auch das älteste Stadtderby Deutschlands. Zum nunmehr 139. Mal kreuzten der SC Victoria Hamburg und der Altonaer Fussball-Club in einem Punktspiel die Klingen. Für die mehr und mehr zur „Grauen Maus“ mutierten Victorianer stand sportlich nicht allzu viel auf dem Spiel – außer: Der Ehrgeiz, dem großen Rivalen vor 1962 Zuschauern an der Hoheluft die Meisterschaftssuppe zu versalzen (alle Highlights im LIVE-Ticker)! Lauschte man den Worten von Altonas Co-Trainer Marcello Meyer, der den aufgrund eines Trauerfalls in der Familie privat verhinderten Andreas Bergmann auf der Bank vertrat, dann war dem am Ende auch so: „Insgesamt war es wild und ungeordnet. Wir waren sehr unruhig – gerade im Spielaufbau – und haben uns das Leben dadurch selbst schwer gemacht.“ Und weiter: „Auf dem riesigen Platz kommst du schwer in die Zweikämpfe, wenn du nicht gut anläufst, was wir heute echt nicht gut gemacht haben. Und wenn unser Pressing nicht so greift, dann wird es auch für uns schwer, weil wir nur hinterherlaufen.“ Aber: „Das hört sich jetzt dramatischer an, als es vielleicht ist.“

Der am Freitagabend wirkungslose und bei seiner Auswechslung erboste Rasmus Tobinski (li.) mit einer Trikotprobe gegen Nikolas Mallwitz. Foto: Matthias Wenner

Nach Schlusspfiff blickte man vor allem in fragende und rätselnde Gesichter. Ein Punktgewinn – oder doch eher zwei verlorene Zähler für den AFC im Meisterschaftskampf? „Am Ende musst du froh sein, mit einem 0:0 nach Hause zu fahren“, bilanzierte Meyer – und brachte es angesichts des Spielverlaufs ziemlich treffend auf den Punkt. Und dann war da ja noch der erneute Ausrutscher der TuS Dassendorf. Der größte AFC-Widersacher unterlag am Kiesbarg beim FC Süderelbe mit 0:1, womit Altona sogar noch ein Pünktchen im Tableau gutmachte. „Ich habe das nur einmal am Rande mitbekommen“, entgegnete der „Co“ der Altonaer mit einem Augenzwinkern. 

„Aber letztendlich müssen wir auf uns gucken. Wenn wir unsere Hausaufgaben machen, dann ist es egal, was auf anderen Plätzen passiert“, machte er aber auch keinen Hehl daraus, dass man sich angesichts des Ergebnisses beim Parallelspiel durchaus „freute“.

AFC kommt nur schleppend ins Spiel

Bereits in den ersten 45 Minuten war der ehemalige SCV-Keeper Dennis Lohmann (li.) gegen den blank vor ihm auftauchenden Luca Palzer zur Stelle. Foto: Matthias Wenner

So richtig zufrieden sein konnte der Primus während der ersten 45 Minuten nicht. Schon nach 20 Zeigerumdrehungen gab Meyer, der selbst für die Alten Herren des SC Victoria kickt, seinem „Flügelflitzer“ Ezra Ampofo an der Seitenlinie einige taktische Anweisungen mit auf den Weg. Und bereits kurz vor der Pause wurde Michael Gries zum Warmmachen beordert. Zu fehlerbehaftet war das Spiel des AFC, zu wenig durchschlagskräftig waren die „Bergmänner“ vor des Gegners Tor. Im Gegenteil: Dass zur Pause hinten die Null stand, war einzig und allein dem ehemaligen Victorianer Dennis Lohmann zwischen den Pfosten zu verdanken. Erst parierte er nach einer Hereingabe von Alexander Borck gegen den reingrätschenden Luca Ernst glänzend (11.), ehe er den frei vor ihm auftauchenden Luca Palzer ausbremste (39.).

Lohmann hält Altonaer Punkt fest

Umstritten! War das Vergehen von Altonas Ezra Ampofo (Mi.) gegen Victorias Max Kahr (re.) wirklich außerhalb des Sechzehners? Die Bilder zeigen etwas anderes. Foto: Matthias Wenner

„Wir hatten zwar die eine oder andere Möglichkeit – aber nichts, wo du sagst: Den musst du machen“, gab Meyer unumwunden zu – und sprach auf die Halbchancen von Pascal El-Nemr (24., 60.), Ampofo (35.) und Gries (49.) an. Selten musste aber SCV-Schlussmann Hendrik Rabe eingreifen. „Vicky hat das echt gut gemacht und hatte viele Chancen“, gestand Meyer. Auch nach der Pause, als der AFC zwar endlich besseren Zugriff fand, aber Victoria die weiterhin größeren Einschussmöglichkeiten hatte. Der starke Brian Jungjohann zwang Lohmann per Freistoß zur nächsten Glanztat (63.), ehe Palzer eine Stafette über Tayfun Can und Max Kahr nur knapp am kurzen Eck vorbei bugsierte (70.). Und schließlich war es erneut Palzer, der vor dem herauseilenden Lohmann an die Kugel kam, den Ball aber nicht am auf der Linie stehenden und rettenden Michael Ambrosius vorbei bekam (74.).

"Gegen so eine Mannschaft so ein Spiel abzuliefern, das ist bemerkenswert"

Es gab "nur" Freistoß für Vicky - und auch diesen parierte Lohmann (re.) gegen den starken Brian Jungjohann. Foto: Matthias Wenner

„Ich glaube, wir hatten über das Spiel verteilt die klareren Chancen“, konnte SCV-Coach David Eybächer ein deutliches Plus in dieser Kategorie auf der Seite der Hausherren verbuchen. „Aber deswegen stehen wir auch da. Wir brauchen noch ein paar mehr Chancen in dieser Saison, um das Tor zu machen.“ Nichtsdestotrotz: „Gegen so eine Mannschaft, die da oben steht, und die Saison über einen so dominanten Fußball gespielt hat, so ein Spiel abzuliefern, das ist sehr bemerkenswert und da sollte man den Jungs einen sehr großen Respekt zollen.“ Mit drei Punkten im Gepäck hätte man „so einen Abend auf jeden Fall noch besser genießen können. Ich bin trotzdem zufrieden und denke, dass wir in den letzten Monaten eine Wahnsinns-Entwicklung genommen haben.“ 

Zu Beginn der Rückrunde war die „Restverteidigung“ noch ein großes Thema. „Wenn man sieht, wie wir heute alles wegverteidigt haben – dann ist das schon super.“

"Wenn wir so spielen, revidiere ich das wieder"

Auf ihn war wie immer Verlass: Michael Ambrosius (Mi.) trug seinen Teil dazu bei, dass hinten die Null stand. Hier gegen Joker Darijo Maksimovic. Foto: Matthias Wenner

Währenddessen scheint bei Altona 93 im Endspurt auch der Kopf eine entscheidende Rolle zu spielen. „Wir haben viele junge Spieler dabei. Sicherlich spielt das da auch mit rein. Aber ich würde das jetzt nicht als Generalaussage oder als Ausrede nehmen. Im Fußball spielen viele Faktoren eine Rolle“, entgegnete Meyer. Fakt ist aber auch: „Bei noch drei Spielen und fünf Punkten Vorsprung darf man sich das eigentlich...“, nicht mehr nehmen lassen, wollte er wohl sagen. Aber so ganz kam es ihm noch nicht über die Lippen. Vielleicht auch deshalb: „Wenn wir so spielen, dann revidiere ich das wieder. Es ist kein Beinbruch, bei Victoria zwei Punkte liegen zu lassen. Aber die Art und Weise war wie schon gegen Rugenbergen in der ersten Halbzeit sehr ‚schwammig‘. Deshalb müssen wir sehr kurzfristig wieder einen Zahn zulegen.“

Autor: Dennis Kormanjos