Landesliga Hammonia

„Diese beiden Mannschaften hätten es verdient, in die Oberliga hochzugehen!“

06. April 2024, 03:06 Uhr

Acht Minuten vor Ultimo hat Joe Gilleßen (Mi.) das 3:2 auf dem Fuß, kann den starken HSV III-Rückhalt José Aguirre Dardon aber nicht bezwingen. Foto: Marcus Sellhorn/Eintracht Norderstedt

Mit Ertönen des Schlusspfiffes wirkte es schon ein wenig so, als würde Spielern und Verantwortlichen des Hamburger SV III nicht nur eine große Last und Erleichterung von den Schultern fallen, sondern auch klar sein, was das 2:2 im Hammonia-Gipfeltreffen bei der U23 von Eintracht Norderstedt für die Tabelle bedeuten würde (alle Highlights im LIVE-Ticker). Doch Rothosen-Chefcoach Stefan Gehrke beschwichtigte: „Wenn wir gewonnen hätten, wäre es das Meisterstück gewesen“, ehe er anfügte: „Man hat gesehen, dass beide Mannschaften auf Sieg spielen wollten. Die mussten, wir haben uns gesagt, dass wir das mitnehmen wollen, wenn‘s geht. Am Ende glaube ich, dass dieses 2:2 leistungsgerecht und auch okay von der Sache ist. Das hilft denen aber nicht wirklich und tut mir auch ein bisschen leid“, bekundete Gehrke seinen Respekt vor dem Gegner.

Schon nach fünf Minuten musste Artur Krüger (3. v. li.) vom Platz getragen werden. Gute Besserung! Foto: Marcus Sellhorn/Eintracht Norderstedt

Zuallererst: „Beide Mannschaften haben ein richtig geiles Landesligaspiel gezeigt, was meiner Meinung nach sogar Oberliga-Niveau hatte, wenn ich mich an so einige Partien erinnere, die ich mir da oben angeguckt habe“, traf Gehrke den Nagel auf den Kopf – und wünschte auch dem großen Widersacher den Sprung ins Oberhaus: „Man kann es nur hoffen, weil die es echt verdient hätten. Die spielen Fußball – genau wie wir es auch tun wollen und versuchen. So eine Mannschaft würde der Oberliga im nächsten Jahr echt guttun“, fand der Cheftrainer der HSV-Dritten sehr anerkennende Worte, äußerte aber auch seine Zweifel, ob der zwei Platz dazu reichen würde.

"Du hast nur eine Chance, wenn Altona hochgeht"

Der Grund: „Der ETV kommt runter. Du hast also nur eine Chance, wenn Altona hochgeht. Und dann müsstest du gegen Todesfelde gewinnen“, geht Gehrke offenbar davon aus, dass „Tofe“ im Zweikampf mit Eichede in Schleswig-Holstein die Oberhand behält, „weil ich glaube, dass beide Mannschaften von Werder II die Hucke vollkriegen“. Was Gehrke zu dieser Annahme bewegt: In der Bremen-Liga marschiert die U23 des Bundesligisten mit 22 Siegen in 22 Spielen einsam vornweg. „Das sagt alles über die Qualität der Bremen-Liga, aber auch über die Qualität von Werder II aus.“ Angesichts von acht Punkten 26 Toren Vorsprung scheint die Meisterschaft in der Landesliga Hammonia vorentschieden zu sein.

Schmalbach-Doppelpack sorgt für Rothosen-Jubel

Lieferten sich einige heiße Duelle: Der oftmals zu verspielte Maurice Lüllemann (li.) und HSV III-Verteidiger Timon Engelmann. Foto: Marcus Sellhorn/Eintracht Norderstedt

„Es geht in die Richtung, dass wir jetzt sicherlich die besten Karten haben. Wir haben nächste Woche Lokstedt. Wenn wir da wieder punkten, dann wird die Luft für Norderstedt dünner. Und das ist echt schade. Denn ich glaube, diese beiden Mannschaften hätten es echt verdient, in die Oberliga hochzugehen“, so Gehrke nach dem spektakulären Schlagabtausch beider Teams. Der Trainer der Rothosen konnte sich mal wieder auf seinen Goalgetter Sebastian Schmalbach verlassen. Der 20-Jährige brachte den Gast aus fast heiterem Himmel nach einem abgeblockten Schuss von Edward Pfister mit Hilfe des rechten Innenpfostens in Front (38.) und sorgte quasi aus dem Nichts nach einem langen Abschlag des bärenstarken Keepers José Aguirre Dardon und einer verunglückten Kopfballklärungstat von Liga-Leihgabe Philipp Koch für das 2:1 (58.)!

Lukic erzielt artistischen Ausgleich

„Wir hatten eine extrem unruhige Anfangsphase, waren die ersten 20 Minuten nicht drin, nicht präsent, hatten keinen Zugriff und zweimal Glück“, sprach Gehrke auf zwei Glanztaten seines Schlussmannes an. „Danach wurde es besser, weil wir ruhiger wurden und uns dadurch ein ausgeglichenes Spiel bis zur Halbzeit erarbeitet haben.“ Und dennoch war die Pausenführung gegen starke Hausherren eher glücklich. Trotz dessen stufte Gehrke den postwendenden Ausgleich nach Wiederanpfiff als „ärgerlich“ ein. Wenngleich das Zustandekommen aus Sicht der Norderstedter kaum schöner hätte sein können. Eine unheimlich scharfe Flanke von Brandel Crentsil verarbeitete Bojan Lukic, mit dem Rücken zum Tor stehend, in Seitlage per Direktabnahme mit dem linken Fuß in den linken Giebel (47.)!

"Die letzte halbe Stunde war ein Auf und Ab, ein wildes Hin und Her"

Schon zur Pause hätten die Hausherren das eine oder andere Tor auf der Habenseite verbuchen können, stattdessen führte der Gast. Foto: Marcus Sellhorn/Eintracht Norderstedt

Und auch auf den abermaligen Rückstand hatte man die postwendende Antwort parat: Ein Koch-Freistoß blieb zwar in der Mauer hängen. Doch Lukic setzte nach, ehe das Spielgerät im Rückraum zum wenige Augenblicke zuvor eingewechselten Jeremiah Boakye kam. Aus 15 Metern halbrechter Position ging der Joker volles Risiko und jagte das Leder in Höchstgeschwindigkeit unters Quergebälk – 2:2 (61.)! „Die letzte halbe Stunde war ein Auf und Ab, ein wildes Hin und Her. Ich glaube, da haben wir uns beide nichts genommen“, befand Gehrke, dessen Mannen in Person von Sepehr Nikroo gleich zweimal die Chance zum „Lucky Punch“ hatten. Erst blockte Okan Özütemiz in allerhöchster Not, dann Armando Luso (76.).

Norderstedter Trio vergibt "Lucky Punch"

Mit dem Halbzeitpfiff hatte Ede Zimmermann (2. v. li.) freistehend die Großchance zum 1:1, kam aber nicht an Aguirre Dardon vorbei. Foto: Marcus Sellhorn/Eintracht Norderstedt

Die größeren Möglichkeiten zum Sieg hatte jedoch der Regionalliga-Unterbau. Joe Gilleßen scheiterte nach seinem Solo von Höhe der Mittellinie freistehend an Aguirre Dardon (82.), ehe Ede Zimmermann in der Nachspielzeit sein Tempo nicht mitnahm, um am herauseilenden Rothosen-Schlussmann vorbeizuziehen und ins verwaiste Gehäuse einzuschieben, sondern per Heber überweg zielte (90. +4)! Und zu guter Letzt verlängerte Lars Kuchenbecker einen Gilleßen-Freistoß und setzte die Kugel knapp über und stattdessen auf das Tornetz (90. +5.). „Natürlich hatten die am Ende vielleicht anderthalb noch klarere Chancen. Man sieht, dass die Fußball spielen wollen – und das ist das entscheidende, um vielleicht auch eine Etage höher erfolgreich zu sein“, lobte Gehrke die Spielweise des ärgsten Verfolgers.

Rothosen bezahlen Punktgewinn teuer

Der Tabellenführer vom HSV III bejubelt seinen Doppeltorschützen Sebastian Schmalbach (3. v. li.). Foto: Marcus Sellhorn/Eintracht Norderstedt

Die acht Zähler Vorsprung nehme man „gerne mit“, allerdings bezahlte man den Punktgewinn teuer: Artur Krüger musste schon nach fünf Minuten mit einem Bänderriss raus. Und Torjäger Schmalbach verletzte sich am Mittelfuß. Nichtsdestotrotz: Im Endspurt wird man sich die Tabellenführung wohl kaum noch nehmen lassen. Trotz eines bärenstarken Aufsteigers. „Was mir wichtig ist – und das habe ich gesehen: Die Jungs haben alles gegeben, Herz gezeigt und sich reingeschmissen. Dass es manchmal ein Auf und Ab gibt bei so jungen Spielern, das ist ganz normal. Genauso, wie man auch gewisse Phasen gegen individuell so starke Spieler überstehen muss“, konstatierte Jannik Paulat, Coach der Eintracht-U23.

"Wenn man in einem Spitzenspiel so viele hochkarätige Chancen hat..."

„Was wir uns so ein bisschen vorwerfen lassen können, ist die Chancenverwertung – wie schon im Hinspiel. Ich glaube, wenn man in einem Spitzenspiel so viele hochkarätige Chancen – darunter drei fast schon tausendprozentige – hat, muss man die einfach nutzen.“ Allerdings darf man auch nicht vergessen, dass ein Landesliga-Aufsteiger einem Oberliga-Absteiger alles abverlangte und dem Sieg schlussendlich sogar näher war: „Die Jungs sind natürlich enttäuscht, weil sie immer das Maximale rausholen wollen. Aber wenn man das mal ein bisschen nüchterner betrachtet, dann kann man wirklich sehr stolz auf die Leistung sein. Das haben die Jungs super gemacht. Wenn man das ganze Spiel betrachtet und anhand der Anzahl der Großchancen sieht, dann würde ich schon sagen, dass wir einen Sieg verdient hätten und wir uns ein bisschen ärgern können. Aber ‚Hätte, Wäre, Wenn und Aber‘ gibt es im Fußball nicht“, stellte Paulat fest.

"Werden nicht aufgeben und versuchen, das Maximum rauszuholen"

Das sehenswerte Tor zum 2:2-Ausgleich: Jeremiah Boakye (re.) packt seinen ganzen Frust in den Schuss. Foto: Marcus Sellhorn/Eintracht Norderstedt

Und schließlich müsse man „auch immer mal ein bisschen die Kirche im Dorf lassen“, erinnerte der Übungsleiter des Herausforderers an die Ausgangslage vor der Saison. „Der HSV ist konstant und wird auch die Punkte holen. Aber wir werden nicht aufgeben und versuchen, aus den fünf Spielen das Maximum rauszuholen, noch ein wenig Ärger zu machen – und wer weiß, vielleicht spielt bei denen noch im Kopf der Druck eine Rolle. Wir werden dranbleiben, sind aber schon jetzt mega stolz! Zweiter in der ersten Landesliga-Saison zu sein mit solch einem Spitzenspiel – das ist schon super!“

Autor: Dennis Kormanjos