Oberliga

Ein leidenschaftlicher Kampf in Unterzahl – bis zum bitteren Ende!

04. Februar 2024, 19:24 Uhr

Referee Johannes Mayer-Lindenberg bleibt nichts anderes übrig, als Halstenbeks Maksym Zanko (Mi.) schon nach 27 Minuten des Feldes zu verweisen. Foto: noveski.com

Er schubste, er rangelte, er lamentierte und er foulte: Mit vielen kleinen Nicklichkeiten nahm sich Maksym Zanko schon nach 27 Minuten selbst aus dem Spiel und erwies seiner SV Halstenbek-Rellingen einen riesengroßen Bärendienst. Bereits gelbverwarnt, hielt er den Schlappen gegen Lennard Wallner drüber und musste vorzeitig zum Duschen (alle Highlights im LIVE-Ticker). Ein Platzverweis mit Ansage! „Ich hatte mit einem meiner Spieler so ein kleines Wortgefecht, weil er nicht verstehen konnte, warum ich nicht vorher eingegriffen habe. Für mich waren diese ‚Scharmützel‘ eher so ein bisschen von Paloma provoziert“, erwiderte HR-Coach Heiko Barthel auf Nachfrage – und fügte an: „Aber hinterher ist man immer schlauer!“

Maksym Zanko (Mi.) kann es kaum fassen, als ihm Schiri Mayer-Lindenberg in der 19. Minute - nach vorigem Betteln - die erste Gelbe Karte zeigt. Foto: noveski.com

Nach dem 2:0-Erfolg beim FC Süderelbe kamen die Mannen vom Lütten Hall unter der Woche bei einem Testspiel bei der Kaltenkirchener TS mit 1:5 unter die Räder. Barthel fehlten die „Emotionen“ und so verriet er im Nachgang des Gastspiels beim USC Paloma, dass er seine Mannen „ein bisschen provozieren und pushen musste – und ich habe auch Maksym gepusht. Ich habe ihn so heiß gemacht, dass es nur für 25 Minuten gelangt hat“, zog er die Lacher auf seine Seite, stellte sich aber schützend vor seinen Offensivakteur: „Ich hätte früher einschreiten müssen und habe die Situation falsch eingeschätzt. Aber ich lasse meinen kleinen Ukrainer nicht hängen, sondern nehme das auf meine Kappe!“

Hätte Barthel aber schon früher reagiert und seinen „Unruheherd“ vom Platz genommen, wäre seine Spielvereinigung vielleicht gar nicht erst in Führung gegangen. Denn: Zanko war es, der davon profitierte, dass ihm USC-Schlussmann Tjark Grundmann das Spielgerät auf dem Silbertablett servierte. Da der bärenstarke und von den Hausherren kaum in den Griff zu kriegende Omar Nabizada die Vorarbeit zu verwerten wusste, bogen kompakte Gäste nach 24 Minuten auf die Siegerstraße ab. Doch nur kurze Zeit mussten die Barthel-Boys für den Rest der Partie in Unterzahl agieren – und wie sie das taten!

"Ein Stilmittel, was Sinn macht und schwer zu bespielen ist"

Marvin Schramm bejubelt seinen traumhaft herausgespielten Treffer zum 2:0 in Unterzahl. Foto: noveski.com

Selbst Paloma-Trainer Marius Nitsch fand anerkennende Worte für den Kontrahenten und dessen Leistung: „Eine tolle, kämpferische Leistung von HR. Die haben letzte Woche schon gezeigt, dass diese Mannschaft intakt, gut drauf und mit dem Selbstvertrauen ausgestattet ist, so gut zu verteidigen, sich nicht aus der Ruhe bringen zu lassen und auch selbst immer mal wieder für Unruhe zu sorgen. Ein Stilmittel, was Sinn macht und schwer zu bespielen ist.“ Für reichlich Unruhe sorgte HR unmittelbar nach dem Feldverweis gegen Zanko, als sich Chris Heuermann und Nabizada im linken Halbfeld ungehindert durchkombinieren durften. Letzterer spielte das Leder traumhaft rein für den am zweiten Pfosten aufgerückten „Captain“ Marvin Schramm – 0:2 (31.)!

"Wir haben dilettantisch verteidigt!"

Michel Blunck (Mi.) sorgte neun Minuten nach der Pause mit seinem Volleytor für das 2:2. Alles schien so, als würde Paloma das Spiel komplett drehen. Foto: noveski.com

Nahezu identisch: Nach Palomas Aufholjagd durch Tore von Mohamed Giresse Fané, der einen tollen Steckpass von Quincy Adjei – bei zwei Gegentoren etwas zu passiv – durch die Hosenträger von Norman Baese beförderte (35.), und Michel Blunck, der eine Hereingabe von Lennard Wallner volley in die Maschen jagte (54.), hatte der Aufsteiger erneut die passende Antwort parat. Weil ein sichtlich erschöpfter Schramm die Palomaten mit letzter Kraft zu zuschauenden Statisten degradierte und der nach seiner Einwechslung überaus unglückliche Yule Amini in seinem Rücken Nabizada davonlaufen ließ, sorgte der beste Spieler auf dem Grün für die abermalige Halstenbeker Führung – 3:2 (82.). All das wohlgemerkt mit einem Mann weniger!

Man müsse „das Spiel teilen“, sah Nitsch einerseits „Tauben“, die „mit Ball viele Torchancen herausgespielt habe. Andererseits sei „die Wahrheit des Spiels“ aber auch, „wie dilettantisch wir verteidigt haben. Du kannst zwei Tore, die nahezu gleich sind, in der Entstehung bereits an der Mittellinie löschen. HR braucht nur zwei, drei Spieler, um gefährlich zu werden und ein Tor zu erzielen. Wir haben zweimal die Möglichkeit, das eher zu unterbinden“, monierte er – zumal der jeweilige Halstenbeker Spieler „sogar noch in der schlechteren Position war. Da müssen wir dann auch mal ein bisschen ekliger sein und ein Foul spielen. Das war vom Ablauf her einfach zu lieb, wenn wir den Gegner nur begleiten.“

"Es wäre einfach zu schön, um wahr zu sein"

Mit gestrecktem Bein trifft Martin Werner (re.) den Halstenbeker Kapitän und Torschützen Marvin Schramm direkt am Knöchel. Dafür gab es nichts. Foto: noveski.com

Die Gäste vom Lütten Hall waren drauf und dran, drei Punkte von der Brucknerstraße zu entführen – obwohl man fast 65 Minten lang zu zehnt agieren musste. Doch dann brach die letzte Minute der Nachspielzeit an, als ausgerechnet Moritz Niemann eine Freistoß-Flanke von Felix Spranger per Kopf ins lange Eck verlängerte (90. +4)! Der Last-Minute-Ausgleich – ganz bitter für tapfer kämpfende und ackernde Barthel-Schützlinge. Und trotzdem rief der Übungsleiter seinem geknickten Team direkt nach dem Einschlag lautstark zu: „Ein Punkt ist doch gut, Jungs!“ Hinterher erklärte er: „Es wäre einfach zu schön, um wahr zu sein – und zu sagen: Der Fußballgott ist ja komplett auf unserer Seite.
Eigentlich müsste man enttäuscht sein. Abe ich bin eher mega stolz“, lobte Barthel seine Equipe – und das auch völlig zurecht.

"Wir schenken HR drei einfache Tore!"

Zwei Tore, eine Vorlage: Der überragende Omar Nabizada (li.) sorgte nach Palomas Aufholjagd in numerischer Unterzahl für die abermalige Führung - 3:2. Zum Sieg reichte es aber nicht. Foto: noveski.com

Obwohl die Uhlenhorster der drohenden Niederlage gerade nochmal von der Schippe sprangen, überwog die Enttäuschung, wie Nitsch zugab. „Es muss unser Anspruch sein, mit drei geschossenen Toren das Spiel zu gewinnen.“ Die Frage nach dem „Was wäre, wenn“ erübrigt sich damit auch. Gemeint ist damit vor allem jene Szene in Minute 21, als Paloma beim Stand von 0:0 ein glasklarer Elfmeter – Fané wurden nur die Beine weggezogen – verwehrt wurde. Selbst HR-Akteur Jan Eggers quittierte den Nicht-Pfiff mit einem Schmunzeln und gab in Richtung des erbosten Nitsch unumwunden zu: „Ich bin immer ehrlich. Das war ein Elfmeter!“ Nicht die einzige merkwürdige Entscheidung von Referee Johannes Mayer-Lindenberg (HTB).

So aber lief der USC lange einem Rückstand hinterher, ehe Niemann kam. Ausgerechnet der Kapitän, dessen Abschied nach dieser Saison erst am Freitag offiziell bekannt gemacht wurde. Unseren Informationen nach wird der 27-Jährige in der Regionalliga bei Eintracht Norderstedt anheuern. Noch aber gilt der volle Fokus seinen Palomaten. Und trotz seines Treffers war auch Niemann nur schwer ein Lächeln zu entlocken. „Wir sind absolut nicht zufrieden“, haderte er. „Wir schenken HR drei einfache Tore. Dass wir am Ende noch das 3:3 machen, ist glücklich. Trotzdem sind das zwei verlorene Punkte.“

Die spannende Pressekonferenz mit beiden Trainern im Video:

Autor: Dennis Kormanjos

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