„Wir waren schon zweimal im Auto – aber der Fußballgott hat uns zurückgeholt!“

Denkwürdiger 120-Minuten-Krimi: AFC gegen bärenstarke Saseler im Glück

11. Dezember 2016, 19:52 Uhr

Grenzenloser Jubel bei Spielern und Fans des Altonaer Fussball-Clubs nach dem dramatischen Ende des "Pokal-Fights". Trost für Sasel-Keeper Todd Tuffour (re.). Foto: noveski.com/Küch

Würde man sich ein Pokalspiel seiner Wahl wünschen oder vom Ablauf her schnitzen dürfen, dann müsste es wohl haargenau so über die Bühne gehen, wie der 120-Minuten-Krimi zwischen dem TSV Sasel und Altona 93! Was beide Teams vor 538 Zuschauern am Parkweg darboten, war schlichtweg nicht zu toppen: Nervenkitzel bis zum Umfallen, Spannung pur, eiserner Kampf, pure Leidenschaft – und dazu noch fußballerisch auf ganz hohem Niveau. „Ein unterhaltsameres und dramatischeres Spiel kann man nicht erleben“, traf AFC-Coach Berkan Algan den sprichwörtlichen Nagel auf den Kopf. Und er wusste auch, bei wem er sich zu bedanken hatte, dass seine Schützlinge im „Elfer-Shootout“ die Oberhand behielten: „Der Fußballgott hat uns zweimal zurückgeholt – allzu oft sollten wir ihn aber nicht strapazieren!“

Von der allerersten Minute an entwickelte sich ein offener Schlagabtausch auf technisch äußerst ansprechender Ebene. Einer AFC-Führung stand der bärenstarke Yannis Büge im Weg, der Waldschmidts Schuss nach einer Brisevac-Ecke von der Linie kratzte (13.). Auf der anderen Seite hätte Benedikt Neumann-Schirmbeck für Saseler Jubelgesänge sorgen können, wenn er denn nach Büges feinem Zuspiel und Novotnys Stellungsfehler nicht zu lange gezögert hätte. So rettete Waldschmidt in der Defensive mit einem blitzsauberen Tackling (44.). „Männer, jetzt mal mehr“, forderte 93-Kapitän Brisevac von seiner Elf. Doch die Zankl-Equipe agierte auf Augenhöhe und hielt nicht nur vom Tempo her stand, sondern bot dem Oberliga-Zweiten auch spielerisch Paroli. Oft versuchte man es über Altonas rechten Außenverteidiger Finn Lukas Rettstadt, der seine liebe Mühe und Not hatte.

"BNS" trifft, Baldé antwortet, Zinselmeyer fliegt

TSV-Keeper Tuffour gab einen sicheren Part, musste sich während der 120 Minuten aber nur selten auszeichnen. Foto: noveski.com/Küch

Auch zu Beginn des zweiten Abschnitts war Sasel die zwingendere Mannschaft, was Algan von außen dazu veranlasste, immer lauter zu werden: „Gegenhalten jetzt, beißen. Mehr!“ Diese Marschroute setzten seine Jungs dann auch um. Vor allem der eingewechselte Pablo Kunter – kam für den komplett blassen Dennis Thiessen – sorgte für unglaublich viel Belebung. Sein Schuss rauschte dann auch nur denkbar knapp am rechten Pfosten vorbei (64.), ehe der „Underdog“ den ersten entscheidenden Stich setzte – und wie: Der Ball lief wie das Messer durch die warme Butter und kam über Adomat, Büge sowie Celikten zu „BNS“, der diesmal eiskalt aus elf Metern einschoss. 1:0 (72.)! Die Überraschung lag in der Luft – allerdings nur für wenige Augenblicke. Denn keine 180 Sekunden später sorgte ein Querschläger in der Hintermannschaft der Gastgeber von Warlich dafür, dass Braima Baldé freistehend egalisieren konnte (75.)! „Das war ja nicht herausgespielt, sondern ein Geschenk von uns“, ärgerte sich Zankl, dessen Elf aber weiterhin nicht klein bei gab. Ganz im Gegenteil.

Doch dann: Als die Uhr immer weiter gen Verlängerung tickte, sah der enorm emsige Sebastian Zinselmeyer nach einem Foulspiel an der Auslinie gegen Baldé die Ampelkarte (84.)! Nun setzte vermutlich kaum einer der neutralen Beobachter auch nur einen Pfifferling auf den Hansa-Spitzenreiter – außer Trainer Zankl: „Es ist nichts passiert, weiter geht's. Wir bekommen noch unsere Chance“, munterte er seine Spieler auf. Und tatsächlich: Es lief bereits die Schlussminute, als Joker Celikten links im Strafraum per Kopf quer legte – doch Grubba verhinderte, dass Neumann-Schirmbeck seinen Doppelpack schnürte.

Pfeifer "verstolpert" Vorentscheidung

Die Partie wog hin und her und wurde zunehmend hitziger. Ein gelber Karton reihte sich an den anderen, während Zankl von seiner Trainerbank verwiesen wurde. Jene Entscheidung war an Kleinlichkeit jedoch kaum zu überbieten! Es ging in die Verlängerung. Der AFC diktierte das Geschehen nun zwar weitestgehend, allerdings war dem Spiel in keinster Weise anzusehen, dass Sasel in Unterzahl agierte. Auch die „Parkwegler“ kamen immer wieder zu gefährlichen Vorstößen, wenngleich Altonas Chris Pfeifer das Duell hätte entscheiden müssen: Erst verstolperte er die Riesenchance nach Querpass von Baldé, den Brisevac clever passieren ließ (94.), dann vollbrachte der „Sechser“ das Kunststück, Kunters Hereingabe aus allerkürzester Distanz über das verwaiste Gehäuse zu jagen (102.)! Das Elfmeterschießen musste eine Entscheidung herbeiführen. Es war das Finish, was dieses fulminante Fußballspiel verdient hatte!

Erst verschossen, dann pariert: Grubba wird zum Matchwinner

Die spielentscheidende Parade: Tobias Grubba fischt den Schuss von Yannik Reinke aus dem Toreck. Foto: noveski.com/Küch

Nachdem Brisevac, Kunter und Pfeifer ihre Hausaufgaben für den Favoriten erledigten, während auch Adomat – glänzte als überragender Stratege – und Steddin auf der anderen Seite ganz cool blieben, schien sich Tobias Grubba zum Matchwinner aufzuschwingen. Denn der ehemalige Victorianer holte den Versuch des extra fürs Elfmeterschießen eingewechselten André Lohfeldt aus dem Eck! Da sich auch Yilmaz keine Blöße gab, stand „BNS“ nun gehörig unter Druck. Doch der Torjäger verwandelte ganz sicher und aus Saseler Sicht sollte es noch besser kommen. Todd Tuffour, der während der 120 Minuten sein Können kaum einmal unter Beweis stellen durfte, parierte gegen Baldé. Alles wieder offen! Nico Zankl – überraschend zunächst nur auf der Bank – millimetergenau in den Giebel, Youngster Celikten und der herausragende Ken Niederstadt hielten sich anschließend schadlos. Genauso wie Jakob Sachs und Jan Novotny für 93. Es kam zum Duell zwischen Grubba und Tuffour, das der Saseler Schlussmann für sich entschied! „Eigentlich habe ich mich als sicheren Elfmeterschützen in Erinnerung. Aber ich hatte ja noch die Möglichkeit, den wieder auszubügeln“, verriet Grubba hinterher.

Und tatsächlich: Dario Warlich hatte die Entscheidung zugunsten des Außenseiters auf dem Fuß, donnerte das Spielgerät aber über die Latte! Nachdem Max Stolzenburg zum 8:7 für das Algan-Ensemble einschoss, musste Yannik Reinke treffen. Tat er aber nicht – denn Grubba war zur Stelle und avancierte und riesigem Jubel seiner Mitspieler und des zahlreich erschienenen Anhangs für kollektive Gefühlsausbrüche bei seinem AFC! Auf die Frage, ob man mit zwei blauen Augen davongekommen sei, entgegnete Grubba: „Ein blaues Auge reicht, glaub ich. Sasel hat gute Kicker, um uns in einem Spiel Paroli bieten zu können. Wir haben die Zweikämpfe nicht richtig angenommen und waren im Kopf manchmal zu langsam. Aber es ist ja nochmal gut gegangen.“

"Sasel war ein brutal starker Gegner"

Erleichterung und Freude pur bei AFC-Coach Berkan Algan. Foto: noveski.com/Küch

Sein Übungsleiter war im Nachgang „einfach nur erschöpft“, wie er auf der Pressekonferenz kundtat. Allerdings zollte er dem Gegner auch jede Menge Respekt: „Wir haben gegen eine brutal starke Mannschaft von Sasel gespielt, aber selbst kein so gutes Spiel gemacht. Ich würde lügen, wenn ich nicht sagen würde, dass ich einfach nur erleichtert und froh bin. Zweimal waren wir schon im Auto – mit einer riesigen Krawatte. Aber irgendwie hat uns der Fußballgott zurückgeholt. Allerdings sollten wir den nicht allzu oft strapazieren. Es hat Spaß gemacht wegen dem Ende, ansonsten eher nicht so sehr.“ Sein Gegenüber konnte unheimlich stolz über die Darbietung seiner Mannschaft sein – schließlich musste man die Schlussminuten der regulären Spielzeit sowie die komplette Verlängerung in Unterzahl bestreiten, was nahezu überhaupt nicht auffiel. „Ich denke, wir haben Altona einiges abverlangt und unser Matchplan ist weitestgehend aufgegangen. Wir hatten zweimal den Matchball auf dem Fuß, aber wie in den letzten ein, zwei Jahren schon das eine oder andere Mal, war das Glück heute nicht auf unserer Seite. Dennoch haben wir eine geile Truppe, das haben wir heute unter Beweis gestellt!“ Danke für diesen Pokal-Fight an beide Teams. Einen Verlierer hatte diese Begegnung beileibe nicht verdient gehabt – doch auch der TSV Sasel geht aufgrund des Gezeigten als Sieger vom Platz.

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