Oberliga

Wieder große Aufruhr am Reinmüller: Ein Schlag, ein Griff – oder nur ein „freundschaftlicher Klaps“?

17. September 2023, 15:15 Uhr

Ausgerechnet der ehemalige HEBC-Keeper Moritz Junge (re.) avancierte zur tragischen Figur am Reinmüller. Foto: noveski.com

Ein Spiel wie jedes andere war es für Jörn Großkopf sicherlich nicht. „Ich spiele immer noch in der Senioren und auch gerne hier – denn das ist mein Heimatverein“, so der Trainer des FC Alsterbrüder, der mit seinem neuen Verein an die einstige Wirkungsstätte als Liga-Spieler und Trainer zurückkehrte. Ein Derby mit einer ganz besonderen Bedeutung. „Ich schätze und mag all die Leute. Trotzdem muss ich hier nicht verlieren“, nahm er das Ergebnis bereits vorweg. Ein Resultat, das am Ende auf hochumstrittene Art und Weise zustande kam. Und ein Ausgang, der maßgeblich von ehemaligen Spielern des HEBC, die inzwischen am Walter-Wächter-Platz aktiv sind, geprägt und mitgestaltet wurde (alle Highlights im LIVE-Ticker)...

Für Alsterbrüder-Coach Jörn Gorßkopf war es ein ganz besonderes Spiel beim "Heimatverein". Foto: noveski.com

Als Referee Kevin Rosin dem munteren Derby-Treiben ein Ende setzte, setzten zunächst lautstarke Buhrufe des konsternierten Alsterbrüder-Anhangs ein. Gefolgt von höhnischem Beifall, als die Unparteiischen den Platz verließen. Erst in der Vorwoche war es genau andersherum, als sich HEBC-Verteidiger Erciyes Palo nach einem nicht geahndeten, vermeintlichen Handspiel eines Tornesch-Spielers derart echauffierte, dass Referee Marvin Vogt einen indirekten Freistoß gegen die in Ballbesitz befindlichen Hausherren verhängte, der über Umwege zum 3:3-Unentschieden führte. Dieses Mal war es genau andersherum – aber irgendwie auch wieder ganz anders.

"Er hat mir selbst gesagt, dass er nicht geschlagen wurde"

Lennart Duve (Mi.), der Vierfach-Torschütze beim 7:2-Kantersieg gegen Vicky unter der Woche, war beim HEBC in guten Händen. Foto: noveski.com

83 Minuten waren vorüber. 1:1 der Spielstand im Eimsbüttel-Derby zwischen dem HEBC und dem FC Alsterbrüder, als Fabian Lemke einen Freistoß vor das Tor der Gäste schlug und Magnus Hartwig ziemlich unbedrängt zum Kopfball kam. Ex-HEBC-Keeper Moritz Junge fing das Spielgerät ab – und auf einmal zeigte Schiri Rosin dem Schlussmann die Rote Karte und zeigte auf den Punkt! Doch was war geschehen? Junge soll seinem ehemaligen Mitspieler Johann Buttler einen leichten Schlag – an den Nacken oder ins Gesicht – verpasst haben. Eine Entscheidung, die die Alsterbrüder regelrecht auf die Palme brachte! „Er hat mir selbst gesagt, dass er nicht geschlagen wurde“, erklärte Großkopf im Nachgang nach einem kurzen Pläuschchen mit Buttler.

Und wie hat HEBC-Coach Özden Kocadal die Situation gesehen? „Gar nicht“, entgegnete er – und fügte an: „Ich habe darauf geguckt, dass ich meine Mannschaft wieder für Konter absichere. Deshalb ist mein Blick eher nach hinten geschweift, weil wir in der Phase zu viel investiert haben und zu viel Risiko gegangen sind. Deshalb wollte ich die Jungs ordnen.“ Ihm sei lediglich „erzählt worden, dass unser Stürmer gerade den Kopf gedreht und der Torwart von Alsterbrüder ihm ins Gesicht gefasst hat. Ob das jetzt als Schlag oder als freundschaftliche Geste, denn beide waren ja mal Mannschaftskameraden, gedacht war, kann ich nicht beurteilen, weil ich es überhaupt nicht gesehen habe. Aber meine Spieler meinten, es wäre eine total unglückliche Szene gewesen.“ Er vermute, so Kocadal weiter, „dass Johann das clever gemacht hat“.

"Die Hand hat da nichts zu suchen!"

Tjorven Köhler (Mi.) vergab unzählige Chancen für seinen HEBC. Hier kommt er nur einen Schritt zu spät gegen Moritz Junge. Foto: noveski.com

Fakt sei aber auch, so zumindest Großkopf: „Ob er ihn geschlagen, ihm in den Nacken gegriffen oder einen leichten freundschaftlichen Klaps gegeben hat – die Hand hat da nichts zu suchen! Da darf man sich dann auch nicht beschweren. Dass er hinfällt, ist doch ganz klar.“ Doch Junge und seine Teamkollegen wollten es kaum wahrhaben. Den fälligen Strafstoß verwandelte ausgerechnet Palo, der „Unglücksrabe“ der Vorwoche, nach einer starken Leistung ganz souverän zum 2:1 gegen den nun eingewechselten Daniel Göbel (86.)!

Ein ganz bitterer Sonntagvormittag für Moritz Junge, der einige Chancen seines Ex-Teams glänzend entschärfte, aber auch am Führungstreffer für die „Veilchen“ maßgeblich beteiligt war. FCA-Kapitän Jannik Kretschmar wollte einen Chip in die Spitze von Christopher Grünewald aus der Gefahrenzone köpfen, ließ den Ball aber durch, weil Junge lautstark „Torwart“ rief. Nutznießer war Buttler, der deutlich vor dem Torsteher am Spielgerät war – und dieses herrlich über ihn hinweg köpfte (48.)! „Wenn er ‚Torwart‘ ruft, dann muss er ihn haben“, machte auch Großkopf keinen Hehl daraus. Dennoch: Die zu diesem Zeitpunkt hochverdiente und längst überfällige Führung unmittelbar nach Wiederanpfiff gegen einen sehr tief stehenden Gegner.

"Will das Thema nicht größer machen und schon gar nicht zu einem Problem"

Johann Buttler (li.), der an allen drei Toren direkt beteiligt war und zwei Treffer selbst erzielte, im riskanten Duell mit dem ehemaligen HEBC-Angreifer Janek Bundt. Foto: noveski.com

„Wir haben ganz bewusst so Fußball spielen wollen, weil HEBC eine gute Truppe ist, die einen klaren Plan hat. Darauf waren wir gut eingestellt, wollten aber natürlich auch Nadelstiche setzen. Letzteres ist uns nicht gelungen“, befand Großkopf. Einziges Manko der Kocadal-Kicker in den ersten 45 Minuten: Mal wieder die Chancenverwertung. „Ehrlicherweise kann ich das nicht erklären. Ich glaube, das sind so Phasen, die es einfach mal gibt – und aus der wir sicherlich auch wieder rauskommen werden“, ist sich der Übungsleiter sicher. „Manchmal muss man auch nicht alles erklären und ich will das Thema nicht größer machen, als es ist – und schon gar nicht zu einem Problem für uns machen. Aber wenn wir in einigen Spielen die Chancen konsequenter genutzt und den Sack früher zugemacht hätten, dann hätten wir definitiv mindestens vier Punkte mehr auf dem Konto gehabt.“

"Wie wir in der zweiten Halbzeit gespielt haben, das war geil"

Bis zu eben jenem 0:1 fand der Oberliga-Neuling am Reinmüller in der Offensive so gut wie gar nicht statt. Doch plötzlich kippte das Geschehen. Mehr oder minder aus dem Nichts. Die Alsterbrüder zeigten und demonstrierten ihre ungeheure Mentalität, gaben sich nicht auf und schon gar nicht geschlagen. „Wie wir in der zweiten Halbzeit gespielt haben, das war geil“, schwärmte Großkopf von seinen Jungs. Während Kocadal konstatierte: „Wir haben in der Phase viel zu viel investiert“, lief man in den einen oder anderen Konter, weil die Außenbahnspieler zu offensiv agierten. „Ich hatte das Gefühl, dass wir zu viel Power hatten. Und die sind ja in ihrem Muster geblieben, was sie auch absolut stark machen. Aber dann kippt so ein Spiel, wenn die eine Seite plötzlich was zu verlieren hat, die andere das Momentum auf ihre Seite zieht und dann eben gar nichts mehr zu verlieren hat. Dann sind das vielleicht diese fünf oder auch zehn Prozent, die den Ausschlag geben.“

Mert Erdal (li.) und Piet Oldag im Kampf um die Kugel. Foto: noveski.com

Jedenfalls gab Kocadal unumwunden zu, dass er seine „Mannschaft in dieser Saison so noch nicht gesehen“ habe. „Das waren 20 oder auch 25 Minuten, wo wir das Spiel eigentlich komplett aus der Hand gegeben haben und auch ein bisschen Glück hatten, dass wir da nicht schon früher den Ausgleich bekommen haben“, sprach er unter anderem auf einen Pfosten-Kopfball des eingewechselten Luke Peemöller an (68.). Aber keine 60 Sekunden später schlug ein Freistoß von Konrad Janta, direkt von der linken Seitenauslinie vor dem Alsterbrüder-Fanblock, im rechten Giebel ein – 1:1 (69.)!

"Auch das Dritte machen wir selbst"

HEBC-Coach Özden Kocadal konnte sich über den Derbysieg - und die Rückeroberung des zweiten Tabellenplatzes freuen.Foto: noveski.com

In den letzten zehn Minuten fingen sich die Gastgeber wieder. Eine Hereingabe von Hammed Nawaz senkte sich an die Latte (79.), ehe Bastian Stech am glänzend reagierenden Junge hängenblieb (81.). Doch die Parade war im Endeffekt nichts wert, da es wenige Augenblicke darauf zur spielentscheidenden Szene kam. „Und auch das Dritte machen wir selbst“, haderte Großkopf. Wieder war es mit Janek Bundt ein langjähriger Reinmüller-Rackerer, der gegen Jorma Eggers keine gute Figur abgab. Buttler sagte „Danke“ – 3:1 (88.)! „Aber wir stehen wieder auf. Ab morgen konzentrieren wir uns auf HR – und da sehen wir wieder eine gute Mannschaft“, baute Großkopf seine geknickten Schützlinge im Teamkreis wieder auf.

Autor: Dennis Kormanjos