Oberliga

Erste Algan-Pleite gegen die „Ex“ – To(r)binski hellwach gegen ETSV-Müdigkeit „in Nuancen der Konzentration“

22. November 2023, 09:47 Uhr

Die Erlösung: Der Jubel von Rasmus Tobinski (2. v. re.) nach seinem späten Führungstor. Foto: noveski.com

Wenn der Vorgänger auf seinen Nachfolger trifft – und der Vorgänger eine ganz besondere Beziehung zu seinem Ex-Club hat: Die Begrüßung zwischen Berkan Algan und Andreas Bergmann fiel durchaus warm aus. Als sich die beiden Cheftrainer unmittelbar vor dem Anpfiff beim Handshake ein gutes Spiel wünschten, hauchte Bergmann seinem Wegbereiter noch ein „Welcome back!“ ins Ohr, während Algan daraufhin zur Altonaer Bank marschierte und jeden Ersatzspieler einzeln begrüßte. Dennoch: Ganz so emotional war das Wiedersehen mit der „Ex-Liebe“ für Algan am Ende nicht (alle Highlights im LIVE-Ticker). „Heute habe ich das eigentlich gar nicht gespürt. Wenn, dann werde ich das in der ‚Heimat‘ auf der Adolf-Jäger-Kampfbahn spüren.“ Aber: „Es war total sympathisch, wie mich die unfassbar tollen Fans von Altona 93 begrüßt haben. Ich habe mich einfach nur geärgert, dass das Spiel heute stattgefunden hat. Das hat im Vergleich dazu, dass wir gegen Altona gespielt haben, überwogen.“

Erst scheiterte Yannick Siemsen (Mi.) per Kopf aus kurzer Distanz an Dennis Lohmann, dann beförderte Lesley Karschau (Mi., leicht verdeckt) die Kugel am Tor vorbei. Foto: noveski.com

Damit sprach der neue Chefcoach der Eisenbahner auf die sehr kurze Regenerationszeit nach dem Sieg beim USC Paloma (1:0) am Sonntagvormittag an. „Man kann halt nicht jedes Spiel gewinnen – vor allem nicht, wenn du innerhalb von 48 Stunden zwei Spiele absolvieren musst. Das ist absurd“, haderte Algan mit der Ansetzung – und fügte an: „Wir gehen jetzt alle schlafen, trainieren am Mittwoch – und dann heißt es: Akku aufladen und Wunden lecken. Denn am Freitag geht’s ja schon wieder gegen Buchholz. Das geht schon an die Substanz.“ 

Überraschenderweise war eben jener Substanzverlust seinen Schützlingen kaum bis gar nicht anzumerken. Ganz im Gegenteil. Hätte man im Vorfeld davon ausgehen müssen, dass der Zug mit fortlaufender Spielzeit einige Gänge weniger würde betätigen können oder gar eine Vollbremsung hinlegen wird, gehörte der zweite Abschnitt weitestgehend den Hausherren.

Tobinski bestraft ETSV-Fehler: "In Nuancen sieht man die Müdigkeit"

Wieder nichts! Vedat Düzgüner (li.) zielte in sehr aussichtsreicher Position mit seinem etwas schwächeren rechten Fuß in Richtung S-Bahn Mittlerer Landweg. Foto: noveski.com

„Das Problem ist, dass du zwar in der Bereitschaft da bist, aber in Nuancen der Konzentration sieht man die Müdigkeit“, sprach Algan auf die schlussendlich spielentscheidenden Gegentreffer an. „Ich denke, dass der eine oder andere den Ball unter normalen Umständen ein Stück weit besser trifft.“ Was Algan damit unter anderem meinte: Vor dem 0:1 – nach einem weit gezogenen Freistoß von Gianluca Przondziono und einer Kopfballablage von Gideon Baur am zweiten Pfosten – landete der Rettungsversuch von Alexandar Mucunski direkt beim Gegner. Gleiches galt für das 0:2, als Daniel Owusu eine Rechtsflanke zu kurz und unglücklich auf den Kopf von Narek Abrahamyan klärte. Beide Male stand Rasmus Tobinski goldrichtig und brachte das Runde im Eckigen unter (84., 90. +2)!

"Ich finde, dass das am Ende sogar sehr verdient ist"

„Er ist eine gewisse Art von Spieler. Jemand, der sehr über die Physis und die Kraft kommt, sich dadurch die Power holt – und in jeden Kopfball reingeht. Das hat er gut gemacht. Ich freue mich für ihn. Aber der Junge hat auch noch eine Menge Luft nach oben und muss im technischen Bereich noch ein bisschen was tun“, so Bergmann über seinen Doppeltorschützen, der für den 2:0-Sieg des AFC sorgte. „Ich finde, dass das am Ende sogar sehr verdient ist“, sah Bergmann insbesondere „eine richtig gute erste Halbzeit“ von seinem Team. „Das ist natürlich eine sehr erfahrene Mannschaft. Man hat schon gesehen, dass die versucht haben, uns kommen zu lassen, damit wir im Aufbauspiel Fehler machen und die im Umschaltspiel was kreieren können – oder eben bei Standards. In der zweiten Halbzeit hatten wir 20 Minuten, wo wir etwas Unruhe drin hatten und auch zu viele ruhende Bälle zugelassen haben. Aber dann haben wir uns gefangen – und ich finde das auch von der Art, wie wir gegen eine wirklich gute Mannschaft aufgetreten sind, wirklich verdient. Wir wollten mutig sein und Fußball spielen. Deshalb freut es mich, dass wir dafür belohnt worden sind.“

"Da musst du zwei von sechs Dingern machen – dann ist Ruhe im Karton"

Die Altonaer Führung: Rasmus Tobinski (re.) ist nach einem ruhenden Ball hellwach und befördert das Runde unter Bedrängnis per Linksschuss ins Eckige. 1:0 für den AFC! Foto: noveski.com

Das sah sein Vorgänger beim AFC und jetziger ETSV-Coach ein wenig anders. „Die ersten 25, 30 Minuten der zweiten Halbzeit waren wir besser und haben mehrere ganz klare Situationen, die wir nicht zu Ende gebracht haben“, trauerte Algan der Phase, „in der wir mehrere 88- bis 98-prozentige Torchancen hatten“, hinterher. „Da musst du zwei von den sechs Dingern machen – dann ist Ruhe im Karton. Aber so ist Fußball. Altona hat eine super eingespielte und auch körperlich unfassbar robuste Mannschaft. Am Ende war das keine verdiente Niederlage, aber durch die genutzten Chancen aus dem Chaos heraus haben sie verdient gewonnen. Wenn du diese Dinger nicht machst und der Gegner schon – dann ist das im Endeffekt verdient. Aber vom Spielverlauf waren wir de facto – vor allem in der zweiten Halbzeit – ein Stück weit besser. Das hat mir sehr gefallen. Darauf müssen wir aufbauen.“

Algan hadert mit vergebenen Chancen

Rasmus Tobinski (li.) kann sein spätes Glück kaum fassen. Auch Pascal El-Nemr schreit seine Freude heraus. Foto: noveski.com

Obwohl Algan nach vier Siegen zum Start seine erste Niederlage als ETSV-Übungsleiter einstecken musste, sah er vielleicht den stärksten Auftritt seiner Mannen. „Du wächst ja auch mit deinen Aufgaben“, erwiderte er – und konstatierte: „Letztlich waren es einfach zwei Tage zu wenig Pause.“ Der Tatsache hätte man jedoch trotzen können, wenn Yannick Siemsen kurz nach der Pause nach einem Eckball von Marcel Andrijanic per Kopf die Führung besorgt hätte. Aber Dennis Lohmann rettete sein Team stark, ehe Lesley Karschau den Nachschuss aus kürzester Distanz am Gehäuse vorbei setzte (50.). Letzterer ackerte und lief für Zwei, fand mit seinen Hereingaben aber oft keinen Abnehmer oder traf in aussichtsreicher Position die falsche Entscheidung.

"Sicher nett, dass wir den Gegner weggehalten haben"

Auch Vedat Düzgüner (51.), Fabio Parduhn, der ungehindert in zentraler Position am Ball vorbei drosch (61.), oder Andrijanic per Freistoß fehlten das gewisse Quäntchen im Abschluss. Und so beträgt der Rückstand der Eisenbahner auf den Tabellenzweiten bereits acht Punkte. „Ich habe vor dem Spiel gesagt, dass wir wirklich alles ausblenden müssen, weil wir gegen eines der spannendsten Teams in dieser Liga spielen. Wir wollen uns mit denen messen und auch besser werden. Es geht nur darum, den Moment zu genießen“, wollte Bergmann im Vorfeld nichts von der tabellarischen Konstellation zweier möglicher Regionalliga-Anwärter wissen. „Morgen kann man mich fragen und dann werde ich sagen, dass es nett ist, dass wir den Gegner ein bisschen von uns weggehalten haben. Aber Fakt ist doch auch, dass es im Fußball diese einzelnen Spiele gibt, die man einfach genießen muss. Ansonsten kannst du warten, bis die Saison zu Ende ist und dann vielleicht einen Tag hast, wo du eventuell feiern kannst.“

"Für ihn war das Spiel sicher besonderer war als für mich"

Die Entscheidung: Rasmus Tobinski (li.) profitiert von einem Owusu-Fehler und überwindet Gianluca Babuschkin zum 2:0 für seinen Altonaer Fussball-Club. Foto: noveski.com

Während Algan nach seinem unfreiwilligen Abschied vor gut dreieinhalb Jahren erstmals ein Wiedersehen mit seinem ehemaligen Club feierte, hat der Umstand, dass Bergmann auf seinen unmittelbaren Vorgänger traf, für den AFC-Trainer „überhaupt keine Rolle gespielt. Ich kam ja erst, als er schon gar nicht mehr da war. Aber er hat dort viele tolle Sachen erlebt und ist ein Trainer, der seine Geschichte in Hamburg schon geschrieben hat und jetzt wieder zurück ist. Es ist überhaupt keine Frage, dass ich den Respekt davor habe. Fakt ist, dass er eine Altona-Geschichte hat und das Spiel für ihn sicher besonderer war als für mich.“ Schließlich hat Bergmann auch keine Vorgeschichte bei den Eisenbahnern. „Obwohl ich früher an der Schiene gewohnt habe“, witzelte er abschließend.

Autor: Dennis Kormanjos

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